Am 13. November 2015 stehen Schweinsteiger und die deutschen Weltmeister gegen Frankreich auf dem Platz, als drei Männer in Trainingsanzügen des FC Bayern versuchen, ins Stade de France zu gelangen - um sich dort in die Luft zu sprengen. Ihr Vorhaben scheitert, sie zünden ihre Sprengsätze draußen und reißen den 63-jährigen Manuel Dias mit in den Tod. Insgesamt sterben überall in der französischen Hauptstadt in dieser Horrornacht 130 Menschen, mehr als 350 werden verletzt.
Zehn Jahre danach beleuchten zwei Dokumentationen von ARD und Sky, wie die DFB-Elf diese schwarzen Stunden erlebt hat - der Blick zurück lässt schaudern. "Die Angst saß uns im Nacken", sagt Weltmeistercoach Joachim Löw. Torhüter Kevin Trapp berichtet, er habe sich "wie im Krieg" gefühlt. Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, damals als Außenminister im Stadion, vergleicht das "Ereignis, das mich für immer prägen wird", mit den Anschlägen vom 11. September 2001.
Bundestrainer Löw denkt an "Erdbeben"
Der 13. November 2015 beginnt für die Nationalmannschaft mit einer Bombendrohung im Teamhotel. Manche haben wie Schweinsteiger "Schiss". Andere, wie Christoph Kramer, bleiben entspannt. "Ich hab' das nicht ernst genommen." Nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt habe es "seit Monaten eine terroristische Bedrohung" gegeben, erzählt der damalige französische Staatspräsident Francois Hollande, aber das Spiel "galt nicht als besonders gefährdet".
Doch dann kriecht der Terror ins Stadion. Es läuft die 17. Spielminute, Thomas Müller bedrängt den ballführenden Patrice Evra, als am Tor D der erste Sprengsatz explodiert. Löw denkt an ein "Erdbeben", viele Spieler glauben an einen Böller - auch wenn sich das Geräusch "ganz anders angehört" habe, wie Schweinsteiger meint.
Bei der zweiten Explosion, nahe Tor H, hat Hollande auf der Ehrentribüne "keinen Zweifel" mehr: Ein Anschlag! Während die Behörden Notfallpläne aktivieren, läuft das Spiel weiter. Spätestens nach der dritten Explosion in der Halbzeitpause sickern die Terrornachrichten durch. Der ausgewechselte Jerome Boateng blickt in der Kabine auf sein Handy und denkt: "Wow, was ist jetzt los?!" Er ertappt sich bei dem Gedanken: "Kommen die hier rein?!"
Auf der Tribüne macht Steinmeier "ein Gesicht, das möglichst nichts verrät", eine Massenpanik soll unter allen Umständen verhindert werden. Als die Spieler nach dem Abpfiff (0:2) im Kabinengang auf einem TV-Schirm die Schreckensbilder aus Paris sehen, verfallen sie in eine "Schockstarre" (Schweinsteiger).
DFB-Elf kann nicht aus dem Stadion
In der Umkleide telefoniert Trapp mit seiner weinenden Verlobten, draußen eilen viele Fans auf den Platz, manche weinen, Gerüchte über Attentäter im Stadion machen die Runde. Drinnen blickt Löw in bleiche Gesichter, auch einige Spieler haben Tränen in den Augen, "das war eine schreckliche Situation".
Zumal der DFB-Tross wegen der unsicheren Sicherheitslage im Stadion bleiben muss. Wie ernst die Situation ist, zeigt sich, als sich DFB-Sicherheitschef Hendrik Große Lefert von einem Polizisten für den Notfall dessen Waffe erklären lässt. Das Gefühl der Machtlosigkeit, sagen die Beteiligten, sei das Schlimmste gewesen. Einige arbeiten den Horror mit Hilfe von Teampsychologe Hans-Dieter Hermann auf.
Erst am nächsten Morgen kann die Mannschaft Paris unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen verlassen. Drei Tage später holt sie der Terror ein, als das Länderspiel in Hannover gegen die Niederlage wegen eines konkreten Anschlagszenarios abgesagt werden muss. Sieben Monate danach spielt die DFB-Elf bei der EM erneut in Paris. "Das", sagt André Schürrle, "war richtig scheiße."
