Nach seinem wilden Ausraster im New Yorker Tennis-Theater wusste Daniil Medvedev genau, was auf ihn zukommt. "Meine Geldstrafe wird hoch genug sein. Wenn ich rede, bekomme ich große Schwierigkeiten. Also rede ich nicht", sagte der Russe – nur um nach dem Erstrunden-Chaos bei den US Open trotzdem in aller Seelenruhe seine Sicht auf seinen neuesten und vielleicht bizarrsten Wutausbruch darzulegen.
"Wir nennen so etwas einen öffentlichen Zusammenbruch. Ich denke, er braucht professionelle Hilfe", kommentierte Boris Becker die Vorfälle auf X. Er habe doch "nichts Schlimmes gemacht", sagte dagegen Medvedev nach seiner Niederlage gegen Benjamin Bonzi – bei der er zwischenzeitlich mächtig gegen Schiedsrichter Greg Allensworth ausgeteilt und einen Eklat provoziert hatte. Was war passiert?
Match-Center: Medvedev vs. Bonzi
Schiedsrichter wird beleidigt
Medvedev – Turniersieger von 2021 und für seine Ausraster bekannt – hätte gegen Bonzi fast ein irrwitziges Comeback hingelegt. Der Franzose servierte im dritten Satz zum Sieg und hatte Matchball. Dann wurde es völlig kurios.
Nach einem Aufschlag ins Netz lief ein Fotograf auf den Platz. Schiedsrichter Allensworth sprach Bonzi daraufhin erneut einen ersten Aufschlag zu. Medvedev verlor die Fassung.
Der Russe stachelte das buhende Publikum an und redete lautstark auf Allensworth ein. Dabei fragte er den Schiedsrichter unter anderem, ob dieser "ein Mann" sei und schimpfte in die Kamera: "Leute, er will gehen, er wird pro Spiel bezahlt, nicht pro Stunde."
Flushing Meadows wird zum Hexenkessel
Medvedev brüllte zudem: "Opelka hat's gesagt!" – der US-Amerikaner Reilly Opelka, am Montag (Ortszeit) in der ersten Runde gegen Carlos Alcaraz gefordert, hatte Allensworth in Dallas im Februar als "schlechtesten Schiedsrichter überhaupt" bezeichnet.
Es folgten minutenlange Buhrufe der Zuschauer, wodurch das Match unterbrochen blieb – nach der Wiederaufnahme verlor Bonzi zunächst die Kontrolle über das Spiel.
Bonzi zynisch: "Danke für die Buhrufe!"
Medvedev – der immer wieder mit den Händen ein Herz für die Zuschauer formte – musste sich in einem spannenden fünften Satz trotz lautstarker Unterstützung von den Rängen geschlagen geben. Er zerschmetterte nach dem 3:6, 5:7, 7:6 (7:5), 6:0, 4:6 seinen Schläger.

Nach einem kurzen Sitzstreik verließ er das Louis Armstrong Stadium – mitten während des Sieger-Interviews von Bonzi. Der finale Akt eines wahnwitzigen Schauspiels.
"So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte der Sieger, welcher Medvedev zuletzt auch in der 1. Runde von Wimbledon besiegt hatte: "Ich habe einige neue Fans gewonnen, aber auch einige Anti-Fans. Danke für die Buhrufe!"
Kein Einzelfall
Selbst für Medvedev war es ein trauriger Höhepunkt. Dass der ehemalige Weltranglisten gerne mal einen Schiedsrichter beschimpft oder senen Schläger zerdrischt – ist nichts Neues. Bereits bei den Australian Open in diesem Jahr zerstörte Medvedev eine Netz-Kamera.
Von Einsicht ist der 29 Jahre alte Familienvater aber weit entfernt. Die Zuschauer hätten nach seinem Ausraster für die sechsminütige Unterbrechung gesorgt, nicht er. "Sie haben mich zurück ins Match gepusht", sagte er: "Das hat Spaß gemacht."
