Überflieger mit Bodenhaftung: Radsport-Hoffnung Lipowitz ist "noch immer der Gleiche"

Florian Lipowitz blickt mit Vorfreude auf das Radsport-Jahr 2026.
Florian Lipowitz blickt mit Vorfreude auf das Radsport-Jahr 2026.JAIME REINA / AFP

Florian Lipowitz ist bei sich geblieben, und vielleicht ist das sein eigentlich größter Erfolg in diesem Jahr. Sensationell war der 25-Jährige im Sommer auf das Podium der Tour de France gefahren, der Durchbruch als Radprofi katapultierte ihn ungebremst ins öffentliche Rampenlicht - doch im Kern hat sich nichts verändert. "Ich bin noch immer der Gleiche", sagt Lipowitz am Ende eines für ihn alles verändernden Jahres.

Ruhig und geerdet ist er in seinem Auftreten, sein Umfeld trägt zu seiner Bodenständigkeit bei, seine Analysen sind reflektiert und erstaunlich reif. Seinen Erfolg weiß er einzuordnen. Eine "Erinnerung fürs Leben" habe er gemacht, als er im Juli sein Traum-Debüt bei der Frankreich-Rundfahrt in Paris beendete - als Dritter der Gesamtwertung und Träger des Weißen Trikots des besten Jungprofis: "Es war eine unglaubliche Erfahrung. Ich glaube, jeder Radfahrer träumt davon, einmal in Paris auf dem Podium zu stehen."

Doch Ruhm hat seinen Preis. Der stille, eher zurückhaltende Lipowitz stand plötzlich im Mittelpunkt, war Gast bei festlichen Empfängen und das Zugpferd der Deutschland Tour im August. Stundenlang gab er Autogramme und posierte geduldig für unzählige Fotos. Der Körper war müde, nach 52 Renntagen entschied sich der Star des Teams Red Bull-Bora-hansgrohe im September zum vorzeitigen Saisonende. Auch die mentalen Kapazitäten waren ausgeschöpft. Er habe, sagt Lipowitz rückblickend, erst lernen müssen, mit den großen Veränderungen umzugehen: "Ich habe definitiv eine längere Pause gebraucht."

Mittlerweile sitzt Lipowitz wieder auf dem Rad. Fleißig spult er im Training Kilometer ab, im Sommer soll es zurück zur Tour de France, dann an der Seite seines neuen Teamkollegen Remco Evenepoel. Mit dem belgischen Doppel-Olympiasieger soll er eine Doppelspitze bilden und Superstar Tadej Pogacar herausfordern.

Vieles wird anders im Jahr 2026. Denn auch Erfolg hat seinen Preis. "Mehr Druck und mehr Erwartungen" werden auf ihm lasten, Lipowitz weiß das ganz genau, auch wenn er versucht, "das ein bisschen auszublenden." Doch nicht nur in der Öffentlichkeit ist die Wahrnehmung künftig eine andere. Auch im Peloton hat Lipowitz nun einen anderen Status. Er wolle seinen Rennstil beibehalten, "aber die anderen werden mich wahrscheinlich nicht mehr so fahren lassen wie dieses Jahr", sagte Lipowitz.

Team Bora will Lipowitz behutsam aufbauen

Der Fluch des Erfolgs wird zu seiner vielleicht größten Hürde in der neuen Saison. In seinem Team weiß man um die unbequeme Situation. "Ich glaube, dass wir vor einem nicht ganz einfachen Jahr stehen, weil die Messlatte sehr hoch liegt", sagte Teamchef Ralph Denk, der den Jungstar kürzlich mit einem neuen, langfristigen Vertrag an sich gebunden hat. Man müsse realistisch sein. Die abgelaufene Saison sei für "Lipo" nahezu perfekt gelaufen: "Das zu wiederholen, ist nicht ganz einfach."

An Rückhalt mangelt es nicht. Sollte Lipowitz stagnieren oder die Leistung sogar abfallen, sei das kein Weltuntergang. "Diese Sicherheit will ich ihm geben", sagte Denk: "Ich glaube, seine ganz großen Jahre, die werden noch kommen."

Florian Lipowitz wird wohl auch dann bei sich bleiben.