Primoz Roglic verschränkte die Arme, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Enttäuscht und entmutigt saß der slowenische Radsport-Star im Bus des Teams Red Bull-Bora-hansgrohe und rang nach dem schmerzhaften Aus beim Giro d'Italia mit gesenktem Blick um Worte. "Ich habe bei all diesen Stürzen einfach zu viel abbekommen", sagte Roglic und seufzte: "Das einzige, was ich tun konnte, war aufzuhören."
Eigentlich wollte Roglic die 108. Italien-Rundfahrt am kommenden Sonntag in Rom beenden, eigentlich im Rosa Trikot und mit dem goldenen Siegerpokal in der Hand, so wie im Mai 2023. Stattdessen aber stieg der Topfavorit am Dienstag vorzeitig aus. Gezeichnet von mehreren Stürzen im Giro-Verlauf kletterte Roglic auf der Königsetappe in ein Teamfahrzeug - und blickt in eine ungewisse Zukunft: Das bittere Scheitern könnte eine teaminterne Wachablösung eingeläutet haben.
Ralph Denk: "So ist der Sport"
Der Frust war riesig, bei Roglic wie auch seiner deutschen Mannschaft. "Es ist bedauerlich für uns als Team", sagte Teamchef Ralph Denk: "Dieser Giro d'Italia war ein großes Saisonziel. Es ist nicht das, was wir wollen, aber so ist der Sport."
Für den Raublinger Rennstall hätte Roglic eine bislang enttäuschende Saison korrigieren sollen. Schon die Klassiker waren nicht nach Wunsch verlaufen. "Viel vorgenommen" hatte man sich deshalb für die erste große Landesrundfahrt des Jahres, neben Roglic schickte Red Bull-Bora-hansgrohe auch Ex-Champion Jai Hindley ins Rennen. Beide Top-Fahrer sind in der Schlusswoche nach Stürzen nun nicht mehr dabei. "Das Glück war in den letzten zwei Wochen nicht auf unserer Seite", sagte Denk.
Noch ist der Giro nicht beendet. Trotzdem richtet sich der Blick bereits vorsichtig in Richtung Sommer. "Wir müssen uns auf die nächsten Ziele konzentrieren", sagte Denk. Für Roglic bedeute das die Tour de France: "Darauf konzentrieren wir uns jetzt."
Primoz Roglic: Sturzanfälligkeit macht Sorgen
In welcher Rolle Roglic die Frankreich-Rundfahrt in Angriff nehmen wird, ist derzeit aber noch unklar. Ein Angriff auf Titelverteidiger Tadej Pogacar und Ex-Tour-Sieger Jonas Vingegaard wäre ohnehin ambitioniert gewesen. Die Klassement-Hoffnungen allein auf Roglic zu setzen, wirkt angesichts seiner abermals gezeigten Sturzanfälligkeit aber überaus riskant.
Fünf der vergangenen neun Grand Tours hat Roglic nicht beendet, darunter auch die Tour 2024. Roglic (35) befindet sich zudem im fortgeschrittenen Radsport-Alter und Alternativen stehen bereit. Die Position des deutschen Top-Talents Florian Lipowitz (24) beispielsweise hat sich nicht verschlechtert. Sein Einsatz bei der Tour ist offiziell noch nicht bestätigt, dürfte nach Roglics Scheitern aber immer stärker in Betracht gezogen werden - womöglich auch in einer Führungsrolle.
In die Giro-Entscheidung jedenfalls wird wohl kein Fahrer des deutschen Teams eingreifen, stattdessen bahnt sich auf den finalen Etappen ein Dreikampf an. Noch wehrt sich das mexikanische Top-Talent Isaac Del Toro im Rosa Trikot nach Kräften - doch es lauern die erfahrenen Richard Carapaz aus Ecuador und Simon Yates (Großbritannien).