Plötzlich Außenseiter: Pius Paschke wechselt in den Angriffsmodus

Die Vierschanzentournee läuft für Paschke nicht nach Wunsch
Die Vierschanzentournee läuft für Paschke nicht nach WunschDANIEL KOPATSCH/GETTY IMAGES EUROPE/Getty Images via AFP
Die Chancen von Pius Paschke auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee sind zur Halbzeit recht überschaubar. Am Ruhetag schworen sich die DSV-Adler aber im Tiroler Idyll auf einen zünftigen Endspurt ein.

Vergleich mit Liverpool 2005

Pius Paschke strahlte die gleiche Ruhe aus wie die Jahrhunderte alten Holzvertäfelungen im urigen deutschen Teamquartier. Fußballfan Andreas Wellinger rutschte hingegen hibbelig auf seinem Stuhl herum. 

Er wollte seinen Teamkollegen in die richtige Angriffsstimmung für die zweite Halbzeit der Vierschanzentournee versetzen: Paschke solle es wie Xabi Alonso vor 2005 angehen - dann könnte es für ihn doch noch mit dem Gesamtsieg klappen.

"Der heutige Leverkusener Trainer hat damals im Champions-League-Finale auch 0:3 mit Liverpool hinten gelegen. Und dann doch noch den Titel gewonnen", dozierte Wellinger am Donnerstagnachmittag.

Innsbruck nächste Station

Statt des Fußball-Wunders von Istanbul wollen die deutschen Skispringer also nun das Wunder von Österreich angehen - und eine bislang durchwachsene Tournee bei den beiden "Auswärtsspielen" in Innsbruck und Bischofshofen doch noch drehen.

"Wir sind trotz allem noch gut dabei, wir greifen weiter an", sagte Paschke - für den ruhigen Bayern geradezu eine furiose Kampfansage vor den Springen am Bergisel am Samstag (13:30 Uhr/ARD und Eurosport) und dem Finale am Montag (16:30 Uhr/ZDF und Eurosport).

Der Gesamtsechste sowie Karl Geiger (8.) und Wellinger (12.) können befreit aufspringen. "Der Tournee-Rucksack ist deutlich kleiner geworden", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher.

Tschofenig winkt der Goldene Adler

Die Aufgabe dafür deutlich größer: Die Konkurrenten aus Österreich haben sich die klare Pole Position im Kampf um den Goldadler erarbeitet. Garmisch-Sieger Daniel Tschofenig führt mit umgerechnet jeweils rund viereinhalb Metern Vorsprung auf Jan Hörl und Oberstdorf-Gewinner Stefan Kraft.

Paschke geht mit stolzen 14 Metern Rückstand in den erstmals seit 2016 ausverkauften Innsbrucker Hexenkessel, in jedem der vier verbleibenden Durchgänge müsste Paschke also rein mathematisch dreieinhalb Meter weiter springen als der Spitzenreiter. Jedoch: Pius Paschke wäre nicht der Paschke-Pius, wenn er sich um solche Rechenspiele einen feuchten Kehricht scheren würde.

"Ich schaue nicht auf die Gesamtwertung, die war mir schon vor dem Garmisch-Springen egal", sagte 34-Jährige: "Es ist nur wichtig, was ich oben auf der Schanze mache. Und das wird auch in Innsbruck so sein. Ich messe mich an mir selber, alles andere ist egal. Der zweite Sprung in Garmisch hat sich wieder angefühlt wie die Sprünge vor ein paar Wochen - darauf kann ich aufbauen."

Comeback "schwierig", aber "nicht unmöglich"

So wie Paschke nach seinen fünf Siegen zu Saisonbeginn nicht in höheren Sphären lustwandelte und eingefangen werden musste, benötigt er nun mentale Aufbauhilfe. Den mit Ausnahme eines leichten Trainings und des obligatorischen Medientermins freien Tag vor der Qualifikation am Freitag genoss er dennoch.

Der inmitten von Stallungen und weiten Weiden gelegene Traditions-Gasthof Isserwirt, in dessen holzvertäfelten Stuben Mundschänke seit dem 14. Jahrhundert ihrem Handwerk nachgehen, lud das dort einquartierte DSV-Team zur Entschleunigung ein - wenn der grundentspannte Paschke dieser denn bedurft hätte.

Seine Teamkollegen Karl Geiger, in Garmisch Sechster, und Wellinger (Zehnter), nahmen in den Wohlfühltag die erfreuliche Erkenntnis mit, dass ihre Formkurve deutlich nach oben zeigt. "Ich bin auf dem richtigen Weg", sagte Geiger mit Vorfreude auf Innsbruck, wo er 2019 WM-Gold mit dem Team und Einzel-Silber gewonnen hatte. Und auch er sprach Paschke Mut zu: "Ich sage niemals nie. Es wird schwierig. Aber es ist nicht unmöglich."