Gewalt, Armut, Trump: WM-Qualifikation als Hoffnungsschimmer für Haiti

Die Bürger Haitis feierten auf den Straßen von Port-au-Prince
Die Bürger Haitis feierten auf den Straßen von Port-au-PrinceClarens SIFFROY / AFP / AFP / Profimedia

Im Moment der Befreiung löst sich der Pulk, der auf einen kleinen Bildschirm gestarrt hatte, explosionsartig auf. Völlig ekstatisch sprangen die Nationalspieler Haitis über den Platz. Wenn im Sommer 2026 in den USA, Kanada und Mexiko 48 Teams um den goldenen WM-Pokal spielen, wird der Karibikstaat dabei sein. Ein Land, das von Gewalt und Armut zerfressen ist. Dessen Nationalmannschaft ihre Heimspiele in weiter Ferne austragen muss. Und über dessen Bürger US-Präsident Donald Trump einst die Lüge verbreitete, sie würden Haustiere verspeisen.

Mit 2:0 (2:0) hatte das von dem Franzosen Sébastien Migné trainierte Team am Dienstag gegen Nicaragua gewonnen, das 0:0 des Konkurrenten Honduras gegen Costa Rica brachte die beglückende Gewissheit: Haiti fährt zur WM! Schon einmal, 1974 beim Weltturnier in Deutschland, war das Land dort vertreten. Drei Niederlagen im Münchner Olympiastadion gegen Italien, Polen und Argentinien bedeuteten damals das frühe Aus. Die erneute Qualifikation versetzt Haiti in einen kollektiven Freudentaumel - und wirft zugleich bange Fragen auf.

Zum Match-Center: Haiti vs. Nicaragua

Denn der Inselstaat wird beherrscht von brutalen Banden, Zerstörung, tiefgreifender Armut. Nach der Ermordung des gewählten Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 versuchte der De-facto-Nachfolger Ariel Henry, das Land autoritär zu regieren, musste im Frühjahr 2024 aber zurücktreten. In vielen Teilen Haitis haben seitdem bewaffnete Gangs das Sagen, während zahlreiche Einwohner um ihre Existenzen bangen: Das Land gilt als das ärmste der westlichen Hemisphäre.

Hoffnungsschimmer in dunkler Zeit

Hinzu kommen Umweltkatastrophen wie das schwere Erdbeben 2010, das ein Treiber für die politische Instabilität und die noch heute drohende Hungersnot für große Teile der Bevölkerung war. Weil das Nationalstadion beschädigt und in der Hand von Banden ist, trägt die Fußball-Nationalmannschaft ihre Heimspiele allesamt in der Fremde aus. Das WM-Ticket wurde in Willemstad, der Hauptstadt Curacaos, deren Auswahl sich sensationell ebenfalls qualifizierte, gelöst.

Das Auswärtige Amt hat unlängst eine Reisewarnung für Haiti ausgesprochen. In den USA gilt seit Juni eine Einreisesperre für die Bürger des Landes. Präsident Trump will keine weiteren Migranten des Karibikstaates aufnehmen, denen er im Wahlkampf 2024 unterstellte, sie würden Haustiere stehlen, um sie zu essen. So wird Haiti womöglich auch bei der WM auf eigene Fans verzichten müssen.

Und doch schreibt der Inselstaat, der zuletzt von Hurrikan "Melissa" schwer getroffen wurde, mit seinen Fußballern trotz der nicht enden wollenden katastrophalen Zustände eine nahezu surreale Märchengeschichte. Der dritte Torhüter Josue Duverger spielt in Deutschland für den fünftklassigen Oberligisten FC Cosmos Koblenz. In Haiti ist auch er nun ein Nationalheld. Weil er mit der Nationalauswahl seinem krisengeschüttelten Heimatland zumindest einen kleinen Moment der Hoffnung schenkte.