Maguire kam 2019 als teuerster Verteidiger der Premier-League-Geschichte für rund 80 Millionen Pfund von Leicester City. Der Druck war gewaltig – und die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Experten wie Simon Jordan machten sich öffentlich über seine Beweglichkeit lustig, Fans spotteten in sozialen Netzwerken, Medien nahmen ihn regelmäßig ins Visier. Für viele war er der Inbegriff des sportlichen Abstiegs von Manchester United.
Doch der englische Nationalspieler ließ sich nicht unterkriegen. Trotz der öffentlichen Demontage, dem Verlust des Kapitänsamtes und der zwischenzeitlichen Degradierung zum Bankspieler unter Erik ten Hag weigerte sich Maguire, das Handtuch zu werfen. Ein Wechsel zu West Ham stand im Sommer 2023 bereits im Raum – Maguire lehnte ab. Er wollte kämpfen. Und dieser Kampf hat sich gelohnt.
In der Saison 2024/25 kam Maguire in 27 Premier-League-Spielen zum Einsatz – ein klares Zeichen des Vertrauens, vor allem angesichts der Konkurrenz durch Namen wie Matthijs de Ligt und Leny Yoro. Statistisch bewegte er sich in mehreren Bereichen wieder in einer Größenordnung, die an seine stärksten Zeiten erinnert:
40 abgefangene Bälle – sein bester Wert seit 2019/20 (72); 30 erfolgreiche Tacklings – mehr als in jeder der letzten Spielzeiten; Passgenauigkeit konstant im hohen 80er-Bereich, zuletzt sogar 94 % im Community Shield; 830 gewonnene Luftduelle bei 1155 Versuchen – eine beeindruckende Bilanz, die seine Dominanz in der Luft unterstreicht; 80 % gewonnene Zweikämpfe am Boden im Ligapokalspiel gegen Barnsley – ein weiterer Beleg für seine defensive Qualität.
Die unterschätzten Qualitäten von Harry Maguire
Was Maguire oft abgesprochen wurde, ist ein feines Gefühl für das Spiel mit dem Ball. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Seit Jahren ist er ein zuverlässiger Passspieler, was in einem Team mit spielaufbauorientierten Außen- und Mittelfeldspielern essenziell ist. Er bringt Ruhe ins Spiel, verteilt die Bälle sicher – keine „Hollywood“-Pässe, aber solide und effizient.
Dazu kommt eine Tugend, die sich nicht messen lässt: Kampfgeist. Maguire ist kein modischer Verteidiger, er wird keine Taktiktafel zieren oder Social-Media-Highlight-Videos füllen. Doch sein Einsatzwille ist unbestreitbar. Er geht dorthin, wo es weh tut. Er ist bereit, sich für das Team aufzuopfern. Und genau dieser unerschütterliche Wille unterscheidet ihn von vielen anderen.
In einer Zeit, in der Spieler oft den bequemsten Weg wählen, steht Maguire für Loyalität, Durchhaltevermögen und Selbstreflexion. Er hat sich nicht durch Ablösesummen oder Schlagzeilen definiert, sondern durch harte Arbeit und Geduld.
Sein Verbleib bei Manchester United ist keine Verlegenheit, sondern eine bewusste Entscheidung des neuen Trainers Ruben Amorim. Dass der Klub laut Berichten in diesem Sommer fünf Angebote für Maguire abgelehnt hat, spricht Bände. Es zeigt: Der Engländer hat sich den Respekt der sportlichen Leitung zurückerarbeitet – auf ehrliche Weise.
Jeder Kader braucht einen Harry Maguire
Harry Maguire wird vielleicht nie ein Liebling der Fans sein – zu groß war die Fallhöhe, zu scharf die Kritik. Doch wer den Fußball nur nach Highlight-Videos und schnellen Trends beurteilt, verkennt seine Bedeutung. Er ist ein verlässlicher Baustein in einer Mannschaft, die wieder an Stabilität und Identität gewinnen will.
United mag in eine neue Ära aufbrechen, doch auf dem Fundament von Kämpfern wie Maguire lässt sich diese Zukunft erst bauen. Und genau deshalb hat er seinen Platz bei Manchester United mehr als verdient.
