Die strahlende Sonne über dem Uetliberg hellte die angespannte Stimmung im deutschen Lager nur bedingt auf. Das Bangen um Giulia Gwinn ging am Morgen nach dem tränenreichen Auftakt im DFB-Teamquartier in Zürich weiter. Trotz des erfolgreichen EM-Starts schwebte am Samstag noch immer über allem die Frage: Wie schwer hat es die Anführerin erwischt?
Von einem "brutalen Schock" sprach Janina Minge, die von Gwinn die Kapitänsbinde übernommen hatte. Eine MRT-Untersuchung am Vormittag soll laut Christian Wück Aufschluss über die Schwere der Knieverletzung geben. "Es wäre unheimlich schlimm", sagte der Bundestrainer auch mit Blick auf Gwinns leidvolle Verletzungshistorie, "wenn es etwas Schlimmeres sein sollte."
Auftaktsieg nur kleiner Trost
Jule Brand per Traumtor (52.) und Lea Schüller (66.) trafen in St. Gallen für den achtmaligen Titelträger. Überlagert wurde der Sieg von der womöglich schweren Knieverletzung Gwinns.

Die 26 Jahre alte Rechtsverteidigerin humpelte in der 40. Minute unter Tränen vom Platz. Unmittelbar nach dem "bitter erkauften" (Wück) Auftaktsieg umarmten die Mitspielerinnen ihre Anführerin, die in der Vergangenheit bereits zwei Kreuzbandrisse erlitten hat (2020 und 2022), in der Kabine und spendeten reichlich Trost.
Schüller: "Man weiß ja noch nicht, was es ist"
"Wenn man zweimal einen Kreuzbandriss hatte und wieder am Knie verletzt ist, steht man erstmal unter Schock. Wir wollen nicht spekulieren", sagte Wück: "In der Pause habe ich gesagt, dass wir uns an den Plan halten und ruhig bleiben sollen. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden. Aber wir wissen, dass wir viel besser spielen können."
Mit ihren Gedanken waren die Spielerinnen aber weniger bei ihrem Auftritt als bei Gwinn. "Giuli ist eine sehr wichtige Spielerin für uns. Man hat einen kleinen Knick im Spiel gemerkt", sagte Brand: "Es war schon ein Schock für uns alle. Wenn Giuli liegt, ist es nie gut. Normal steht sie schnell wieder auf. Zur Pause haben wir gesagt: Jetzt erst recht für Giuli. Wir haben die drei Punkte für sie geholt."
Schüller berichtete von ihrem Gespräch mit der Anführerin des deutschen Teams: "Ich habe ihr gesagt, sie soll ruhig bleiben. Man weiß ja noch nicht, was es ist. Und ich habe ihr gesagt, dass ich für sie da bin." Ähnlich formulierte es Klara Bühl: "Wir stehen alle hinter ihr und sind bei ihr."
Match-Center: Deutschland vs. Polen
Herber Verlust für DFB-Team
Gwinn hatte die Verletzung bei einer Rettungstat gegen Polens Topstar Ewa Pajor erlitten. "Mit ihrem Einsatz hat sie das Gegentor verhindert", kommentierte Wück die Szene. "Mit ihr verliert die Mannschaft eine Mentalitätsspielerin", sagte Ex-Nationaltorhüterin Almuth Schult in der Pause als ARD-Expertin über Gwinn.
Das Team müsse nun "zusammenstehen" und Gwinn "beistehen", sagte Minge, auf deren Schultern schon im zweiten Spiel gegen Dänemark am Dienstag (18.00 Uhr/ARD und DAZN) in Basel deutlich mehr Verantwortung lasten dürfte. Im zweiten Spiel der Gruppe C gewann Schweden das skandinavische Duell mit Dänemark 1:0 (0:0). Gegen Schweden geht es vier Tage später in Zürich.