Ich hatte nochmal unser letztjähriges Interview mit dir angeschaut und mich sehr für dich gefreut, deine gesteckten Ziele waren absolut erfolgreich!
Ich kann mich nur vage dran erinnern, was ich genau ausgerufen habe, das Jahr war einfach krass (lacht).
Da hattest du die Top-64 ausgerufen, das hast du geschafft und das Narrativ des vergangenen Jahres war die „Achterbahn“, dieses Jahr war es zu Anfang eine Talfahrt und nun geht’s stetig aufwärts, Grand Slam, die letzten PC-Events, das sah echt gut aus.
Das war wirklich bis Mitte des Jahres noch nicht so klasse, der Knackpunkt war dann wirklich das Finale (PC23 gegen Jermaine Wattimena, Anm. d. Red.).

Das hast du zwar nicht geholt, da hast du aber einen Wessel Nijman besiegt, auch einen Daryl Gurney und wenn man dich beim Grand Slam spielen gesehen hat, weiß man, da kannst du problemlos mithalten.
Dankeschön für das Lob, aber ja da sieht man einfach, was durch das ganze Training möglich ist. Klar habe ich da auch gegen andere Top-Spieler einiges liegen gelassen, trotzdem konnte ich dann Clayton zweimal schlagen, Gary Anderson, Michael Smith, Ross Smith, also da waren schon dieses Jahr Namen dabei, wo ich mir denke krass, dass du die besiegt hast. Umso mehr tun dann aber auch irgendwie die Niederlagen weh gegen eher "kleinere" Namen, aber das ist am Ende Darts, das passiert auch den Top-Jungs und ist irgendwie ganz normal und gehört dazu.
Match-Center: Lukas Wenig vs. Wessel Nijman
"Überall ein paar Prozente draufgelegt"
Und beim Grand Slam war es dann Danny Noppert, der irgendwie immer da ist, wenn ein Spieler spielt, mit dem es die Fans halten. In der Gruppenphase hast du knapp verloren und im Viertelfinale sah es zwischenzeitlich auch echt nicht schlecht aus.
Ja, da waren es einfach die Doppel. Gegen Niko hat das noch herausragend funktioniert, aber die waren „nicht ganz“ da, um es mal so zu sagen (lacht). Dafür war er dann aber auch einfach zu routiniert, zu gut, einfach Wahnsinn, wie er da seinen Stiefel durchgezogen hat. Geiler Spieler!

Mitte des Jahres sagtest du, war der Knackpunkt bei dir, hast du da an irgendwas besonders gearbeitet, irgendwas trainiert oder kannst du dir selbst nicht erklären, woran es da lag?
Ich habe kurz vorher angefangen mit meinem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten und bin dann auch ein wenig mehr gereift über die letzten eineinhalb Jahre. Da habe ich gelernt, Sachen ein wenig vernünftiger zu begutachten und zu betrachten. Ich denke, dass das ein Zusammenspiel aus vielen Punkten war, ich habe überall ein paar Prozente draufgelegt und das macht dann am Ende auch einfach viel aus.
Also würdest du sagen, der mentale Aspekt hat dir viel gebracht?
Ja, das war in den letzten Jahren, wo ich angefangen habe, das professionell zu machen immer schon so ein Aspekt, wo ich ein paar Probleme hatte, aber das ist einfach ein langsamer Weg, auch in dem Bereich. Es geht alles langsam, aber sicher in die richtige Richtung. Der Grand Slam hat jetzt nicht einen neuen Menschen aus mir gemacht (lacht) oder lässt mich in neue Sphären aufsteigen. Das war ein tolles Turnier, ein wichtiges Turnier, aber ich weiß das relativ gut einzuschätzen, dass es jetzt weiterhin darum geht, die Arbeit zu leisten, um das Niveau häufiger abspulen zu können.
Das hat auf jeden Fall gezeigt, dass du auf der großen Bühne gegen große Namen dein Spiel, auch unter Druck abrufen kannst, das hatte letztes Jahr noch nicht wirklich so geklappt.
Ja, das kann man so sagen, vielleicht war es aber auch irgendwie das Selbstvertrauen, weil ich unter dem Jahr viele große Namen, viele gute Spieler schlagen konnte und das Wissen, das ich so ein hohes Level spielen kann, mitzunehmen.
Was war denn dieses Jahr dein Highlight, letztes Jahr war ein Sieg gegen Rob Cross eines der größten, dieses Jahr hast du da schon ein bisschen mehr zur Auswahl?
Also das Finale bei den Players Championship war schon toll, aber ich sehe das auch gerne über das ganze Jahr hinweg und freue mich, dass ich bei den ganzen Qualifiern gut abgeschnitten habe und dann kam halt noch dieses Finale dazu, was vor allem nach dieser Durststrecke im Vorfeld wirklich der Wahnsinn war. Da habe ich Spiele mit 100er Average verloren und dieses Endspiel war dann einfach die Belohnung dafür, immer weiterzumachen und nicht aufzugeben.
Match-Center: Lukas Wenig vs. Niko Springer

"Beweisen, dass der Grand Slam keine einmalige Sache war"
Und jetzt bist du bei der WM dabei, letztes Jahr war dir das noch nicht vergönnt. Was ist da dein Ziel, Ricardo Pietreczko beispielsweise ruft immer direkt den Titel als Vorgabe für ihn selbst aus?
Auf jeden Fall möchte ich das genießen, aber das soll natürlich nicht der Hauptgedanke sein. Wenn man sich da zu viel drauf konzentriert, das zu genießen, können einem schnell die Ernsthaftigkeit und der Biss fehlen. Ich fahre dort hin, um mein erstes Spiel zu gewinnen, auch wenn ich echt für die erste Runde ein hartes Los gezogen habe.
Wesley kann definitiv in den hohen Average-Sphären mitspielen und mal einen 105er Average aufs Board bringen. Ich persönlich möchte auf jeden Fall an meine Bühnenpräsenz vom Grand Slam anknüpfen, schauen dass ich da genauso auftreten kann und die Nervosität gut handhabe. Wichtig ist es positiv zu bleiben, mich reinbeißen und einfach versuchen zu bestätigen, dass der Grand Slam keine einmalige Sache war und die Arbeit, die ich hier reinstecke, die richtige ist. Aus eigener Kraft könnte ich mit einem Sieg in der ersten Runde die Tourcard sichern und mir damit selbst beweisen, dass ich hier hingehöre und das auch verdient habe, hier zu stehen.
Und Arno Merk wird es sicherlich auch freuen, falls du da Wesley Plaisier raushaust, nachdem der Niederländer ihm seinen Einlaufsong gemopst hat.
(lacht) Ja, das wäre doch schön, wenn ich da direkt zwei Leute mit einem Sieg glücklich machen könnte.
Match-Center: Lukas Wenig vs. Wesley Plaisier
Harte Arbeit wird belohnt
Und du gehst jetzt mit der Einstellung ins Turnier, dass du deine beste Leistung zeigen willst und dir einfach nochmal selbst beweisen willst, dass du wirklich in diese Top-64 gehörst und dir diesen Platz hier verdient hast?
Ja, genau für mich ist es aktuell erstmal die Top-64, weiter brauche ich gar nicht zu schauen. Vor dem Grand Slam ging ich fest davon, aus dass es im Januar zur Q-School geht und hole ich mir meine Tourcard dann wieder. Die Einstellung habe ich immer noch, falls ich das erste Spiel verliere, weil die WM und der Dartssport im Allgemeinen sind einfach unberechenbar. Da haben mir Leute schon gesagt, ich hätte das alles sicher und müsste mir keine Sorgen machen, aber sicher ist es für mich erst, wenn ich nach der WM in den Top-64 stehe und ich wäre jetzt auch nicht geflasht, wenn ich im Januar, dann doch in die Q-School muss. Ich denke da bin ich genug gesettled, dass ich da nicht aus allen Wolken fallen würde.
Und letztes Jahr sagtest du auch bereits, selbst wenn es wieder in die Q-School ginge, denkst du nicht daran aufzuhören, weil du den „Scheiß zu sehr liebst“, das ist wohl immer noch so, oder?
Also im Endeffekt muss man nur einen davon überzeugen, dass man hier hingehört und das ist man selbst. Mein Umfeld, was mir da immer den Rücken stärkt, die sind alle mehr als überzeugt davon und ich bin immer der, der das da noch leicht kritisch beäugt, weil ich am besten einschätzen kann, wie da mein spielerisches Vermögen ist. Aber ich bin da jetzt an einem Punkt angekommen, wo ich annehmen kann, dass ich das alles verdient habe, dass das alles so gekommen ist, wie es ist, weil ich’s mir erarbeitet habe.
Also man muss wirklich nochmal resümieren, dass du dich nicht nur ergebnistechnisch verbessert, sondern auch auf dem mentalen Level und in deiner Einstellung im Vergleich zum letzten Jahr nochmal geerdet hast, das merkt man dir wirklich an. Mit diesem Worten wünschen wir dir auf jeden Fall ganz viel Erfolg bei der WM, da hast du definitiv das Potenzial, einen tiefen Lauf zu machen.
Das ist lieb. Dankeschön für die Worte!
