Novak Djokovic kam als Erster. Noch vor Carlos Alcaraz, dem Spieler der Stunde. Kurz blickte der Serbe zu Boden, als er den heiligsten aller Rasenplätze betrat, dann ließ er den Blick über den Centre Court schweifen und lächelte zufrieden. Hier in Wimbledon, in der "Kathedrale des Tennis", rechnet sich Djokovic auf der Zielgeraden seiner Karriere die größte Chance auf einen weiteren Grand-Slam-Titel aus. Es könnte seine letzte sein.
Lieblingsturnier des Serben
Das Ende ist nicht mehr weit entfernt, das weiß auch Djokovic. Nach seinem Halbfinal-Aus in Roland Garros sagte der 38-Jährige: "Das kann das letzte Match gewesen sein, das ich jemals hier gespielt habe." Er fügte hinzu: "Ich weiß es nicht. Zwölf Monate sind in dieser Phase meiner Karriere eine lange Zeit."
Und daher will Djokovic die Turniere, die ihm auf der Profitour bleiben, bestmöglich nutzen. "Wimbledon ist das Lieblingsturnier meiner Kindheit", sagte er, "ich werde alles tun, um mich dafür vorzubereiten." Am Donnerstag trainierte er 45 Minuten lang mit Alcaraz auf dem unberührten Rasen unter dem geschlossenen Dach des Centre Courts. Dem Titelverteidiger aus Spanien gebührt die Ehre des ersten Trainings, er suchte sich Djokovic als Partner aus.
Routinier als Erster vor Ort
Angereist war der schon Tage zuvor, als Erster, noch bevor die Trainingsplätze im Aorangi Park im Norden der Anlage an der Church Road bevölkert waren. Djokovic genoss die Ruhe, er zog sich die Schuhe und Socken aus, trippelte barfuß über den Rasen, sog die Atmosphäre auf. Als es etwas hektischer wurde, schoss er mit der Weltranglistenersten Aryna Sabalenka um die Wette auf Balldosen und alberte mit seinem Team herum. In der ersten Runde trifft er auf den Franzosen Alexandre Müller.
Die Grand Slams sind seine Bühne, hier fühlt sich Djokovic besonders wohl, hier will er seinen letzten sportlichen Traum verwirklichen und als erster Spieler 25 Titel in Melbourne, Paris, London und New York gewinnen. Bisher teilt sich Djokovic den Rekord mit der Australierin Margaret Court. Seine einstigen Rivalen Rafael Nadal (22) und Roger Federer (20) hat er längst abgehängt.
Duell der Generationen
Der Spanier und der Schweizer sind mittlerweile im Ruhestand, nur Djokovic kämpft unersättlich weiter, immer auf der Jagd nach dem nächsten Pokal, immer noch erstaunlich zäh und spielstark, aber immer häufiger geschlagen, wenn die Luft dünn wird. Die letzten sechs Grand-Slam-Titel teilten sich Alcaraz (3) und Jannik Sinner (3) auf. Djokovic stand nur noch einmal im Finale - im vergangenen Jahr verlor er in Wimbledon gegen Alcaraz in drei Sätzen.
Dennoch fühlt er sich bereit, die beiden Überflieger der neuen Generation herauszufordern, vor allem in Wimbledon, wo er sieben Mal triumphiert hat und nur einen Erfolg hinter Rekordsieger Federer liegt. Djokovic kennt das auf acht Millimeter getrimmte Gras wie kein anderer im Feld, hier kann er seine Stärken besser ausspielen als auf Hartplatz oder Sand. In diesem Jahr wirkt er bereit für den Tanz. Es könnte sein letzter sein.