2024 war zweifelsohne das Jahr von Jannik Sinner. Der Italiener krönte sich zur Nummer eins der Welt, gewann zwei Grand-Slam-Turniere, drei Masters-1000-Titel, die ATP-Finals sowie den Davis Cup und beendete die Saison mit einer grandiosen Bilanz von 73:6 Siegen.
Auch Carlos Alcaraz gewann zwei Grand-Slam-Turniere, doch an die Unangefochtenheit und die Dominaz des Rivalen kam er bei weitem nicht heran. Sinner hat auch im Jahr 2025 kein Interesse daran, seinen Platz an der Spitze der ATP-Tour zu räumen. Er verteidigte seine Australian-Open-Trophäe und führte die Rangliste im Januar mit über 3.000 Punkten Vorsprung an.

Einzig die Ereignisse abseits des Tennisplatzes könnten ihn aufhalten. Im Februar wurde der 23-Jährige nach der Dopingaffäre, die seit Monaten um ihn kreist, mit einer Sperre von mehreren Monaten belegt. Vielleicht eine Chance für die Verfolger?
Zverev in der Krise
Die Abwesenheit Sinners sollte eigentlich Türen für den Weltranglistenzweiten Alexander Zverev, Sinners schärfsten Rivalen Alcaraz oder die Legende Novak Djokovic öffnen, um den aktuellen Platzhirsch der Szene vom Platz an der Sonne zu stoßen. Bisher war dies jedoch noch nicht der Fall, ganz im Gegenteil: Sowohl Zverev, als auch Alcaraz präsentierten sich nach den Australian Open in desolater Form, mussten frühe Niederlagen im Sunshine Swing einstecken. Einzig Djokovic zeigte zuletzt eine aufsteigende Tendenz, konnte die schmerzliche Niederlage im Miami-Finale gegen Youngster Jakub Mensik, der ihm den 100. Karriere-Titeö verwehrte, nicht verhindern.
Gerade für Zverev war die Chance, dem Weltranglistenersten auf die Pelle zu rücken, geradezu verlockend. Doch stattdessen kam der Hamburger bei keinem der fünf Turniere, die er seit der Sperre von Sinner gespielt hat, über das Viertelfinale hinaus und zeigte damit die Schwäche und Unbeständigkeit, die ihn zu einem der besten Spieler aller Zeiten ohne Grand-Slam-Titel gemacht haben.
Alcaraz ist das Sorgenkind, Djokovic will es nochmal wissen
Trotz des Titelgewinns in Rotterdam sind es auch für Alcaraz höchst beunruhigende Zeiten. Der Spanier unterlag im Halbfinale von Indian Wells Jack Draper, bevor er in Miami in der zweiten Runde einen ranbenschwarzen Tag erwischte und sensationell am 34-jährigen David Goffin scheiterte. Diese Niederlagen unterlaufen dem vierfachen Major-Champion aktuell zu häufig.
Die Zweitrunden-Pleiten von Djokovic in Doha und Indian Wells sowie die überraschende Finalniederlage in Miami gegen Mensik zeigen, dass auch der Serbe die Zeit nicht aufhalten kann. Obwohl er zuletzt unter seinem neuen Trainer Andy Murray eine aufsteigende Form demonstrierte, ist der 37-Jährige längst nicht mehr der Dominator, der er noch vor weniger als zwei Jahren zu sein schien. In Monte-Carlo gilt er daher maximal als Mitfavorit.
Was ist mit Medvedev und Fritz los?
Auch weitere Spieler, die in den vergangenen Saisons zur Weltspitze gehörten, zeigten in den letzten Wochen und Monaten ungeahnte Schwächen. So wirkt Daniil Medvedev, der bis 2024 einer der beständigsten Aktuere auf der Tour war, aktuell auf dem Platz verloren. Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist er als Konsequenz aus den Top 10 der Weltrangliste gefallen.
Auch Taylor Fritz, der als einer der Gewinner des Kalenderjahrs 2024 hervorgegangen war, musste zuletzt einige empfindliche Niederlagen einstecken. In Miami und Indian Wells scheiterte er jeweils am späteren Gewinner, zuvor hatte er gegen Denis Shapovalov (Dallas) und Alejandro Davidovich Fokina (Delray Beach) in frühen Phasen der Turniere den Kürzeren gezogen.
Während Sinner also die Füße hochlegt und sich in aller Ruhe auf die Rückkehr auf heimischem Boden in Rom Anfang Mai vorbereitet, lässt die Konkurrenz federn. So steht der Italiener mit 2.700 Punkten Vorsprung nach wie vor komfortabel an der Spitze der Rangliste und führt darüber hinaus auch das Race to Turin immer noch an.
König von Indian Wells und Nummer sieben der Welt
Doch die Saat der Aufregung hat in einem ständig schwankenden ATP-Umfeld zu sprießen begonnen. Die Chancen, die von den weltbesten Spielern verpasst wurden, ergriffen stattdessen einige Repräsentanten einer neuen, jungen Generation von Spielern, die den Durchbruch schaffen wollen.
Der 23 Jahre alte Draper galt stets als großes Talent, hat seit einigen Jahren jedoch mit Gesundheits- und Verletzungsproblemen zu kämpfen. Seine große, muskulöse Statur ist dem Tempo und den Strapazen der ATP-Tour oft nicht gewachsen.
Doch nach einem bereits erfolgreichen Jahr 2024, in dem er zwei Titel gewann und das Halbfinale der US Open erreichte, begann Draper das Jahr mit dem Erreichen der vierten Runde bei den Australian Open, dem Finaleinzug in Katar und schließlich dem Gewinn der prestigeträchtigsten Trophäe seiner Karriere beim Masters 1000 in Indian Wells. Als Nummer sieben der Weltrangliste hat sich Draper verdientermaßen in die Spitzengruppe gespielt.
Eine neue Generation?
Zwei Wochen später gelang der Durchbruch auf großer Bühne auch Mensik. Der 19-jährige Tscheche war Teil der ATP Next Gen-Klasse 2024, ein Titel auf der ATP-Tour war ihm jedoch noch verwehrt geblieben. Mit starken Aufschlägen und unerbittlichem Grundlinientennis besiegte Mensik Draper, Arthur Fils, Fritz und sein Idol Djokovic auf dem Weg zu seiner ersten Trophäe und stieg in der Weltrangliste auf Platz 24 auf.

Draper und Mensik sind die Namen der Stunde, die die Gunst der Stunde ergriffen und sich in Abwesenheit Sinners ins Rampenlicht gespielt haben. Doch was in den letzten Wochen auch klar wurde: Ohne den Tiroler gibt es zur Zeit keinen eindeutig besten Spieler der Welt.
Hinter Mensik und Draper: Weitere Youngsters begeistern
Es waren nicht nur die beiden Titelträger, die begeisterten. Neben Mensik und Draper gelangen weiteren jungen Talenten zumindest Teilerfolge: Das brasilianische Wunderkind Joao Fonseca hat sich nach nur wenigen Monaten auf der Tour bereits fest etabliert. Von einer lautstarken Fangemeinde gefolgt, die für fußballähnliche Atmosphäre sorgt, besiegte der 18-Jährige Andrey Rublev in der ersten Runde der Australian Open, gewann in Buenos Aires seinen ersten ATP-Titel und erreichte in Miami die dritte Runde, wobei er teils atemberaubendes und berauschendes Tennis präsentierte.
Der 19-jährige Learner Tien, der Fonseca im Finale des Next-Gen-Turniers 2024 unterlag, schlug Medvedev bei den Australian Open auf dem Weg in die vierte Runde und erreichte auch das Viertelfinale in Acapulco.
Was bringt die Sandplatz-Saison 2025?
Während die etablierte Spitze des Herrentennis also in einem großen Loch steckt, sind es also die Youngsters, die sich vor dem Beginn der Sandplatz-Saison in Topverfassung befinden und einige wunderbare Fragen aufwerfen, die beantwortet werden müssen.
Können sie den Schwung des Sunshine Swings mitnehmen und auf dem neuen Belag ihr Talente unter Beweis stellen, der ihnen mehr Härte und Kreativität abverlangt, während sie gleichzeitig mit dem erhöhten körperlichen Verschleiß zurechtkommen?
Werden French-Open-Sieger Alcaraz vor der Mission Titelverteidigung in Roland Garros und Vorjahres-Finalist Zverev wieder zu ihrer Bestform auf Sand zurückfinden?
Können Sandplatzspezialisten wie Casper Ruud, Stefanos Tsitsipas und Holger Rune, die in den letzten Monaten angeschlagenen schienen, noch eine Rolle spielen?
Mit dem dritten Masters-1000-Turnier der Saison, das am Sonntag in Monte-Carlo beginnt, werden wir einige Antworten auf diese Fragen erhalten.