Nein, der Matchball im Australian-Open-Finale gegen Alexander Zverev war nicht "der beste Moment des Turniers" für Jannik Sinner, auch nicht das Fotoshooting am Montag mit dem silbernen Siegerpokal vor der Skyline von Melbourne. Sinner, für Italiens Presse nur noch ein übermenschliches Wesen zwischen "Alien", "Fenomeno" und "Forza della natura", beantwortete eine entsprechende Frage mit einer vermeintlichen Alltäglichkeit: Ein Abendessen mit seinem Bruder Mark.
Match-Center: Jannik Sinner vs. Alexander Zverev
"Mein Happy Place ist bei den Menschen, die ich liebe", sagte er bescheiden. Und Mark, 1998 in Russland geboren und von den Sinners adoptiert, ist so eine Kraftquelle. Die Power jedenfalls scheint Jannik Sinner (23) nicht auszugehen angesichts seines dritten Grand-Slam-Titels seit dem vergangenen Januar - und doch ist nicht alles perfekt im Leben des Südtirolers.
Denn zumindest ein paar Monate lang wird er noch von seinem dunklen Dopingschatten verfolgt. Das "Phänomen Sinner", wie die Gazzetta dello Sport schrieb, hat zwar seine Ausnahmestellung im Männertennis untermauert und mit seiner überragenden Finalleistung gegen den bemitleidenswerten Alexander Zverev auch die letzten Zweifler überzeugt. Doch es droht weiterhin Ungemach.
Sicher über "positiven" Ausgang
"Ich denke im Moment nicht darüber nach, ich will erstmal diesen Moment genießen", sagte Sinner nach seinem dritten Grand-Slam-Titel in zwölf Monaten. Die mit Spannung erwartete Anhörung beim Internationalen Sportgerichtshof CAS, sie wird ihn aber sicher bald einholen.
Mitte April entscheidet sich voraussichtlich, ob die Nummer eins der Welt, der dieser Tage mit Abstand beste Tennisspieler des Planeten, wegen Dopings gesperrt wird. Sinner gibt sich betont optimistisch. Er glaube, dass der Fall "positiv" für ihn ausgehen werde. Doch der Ausgang ist völlig offen.
Die International Tennis Integrity Agency (ITIA) hatte Sinner freigesprochen, nachdem in seinem Körper das Steroid Clostebol nachgewiesen worden war. Sie folgte seiner Erklärung, dass der Italiener durch den Kontakt mit seinem Physio damit kontaminiert worden sei. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) legte gegen diese Entscheidung vor dem CAS Berufung ein, weshalb Sinner nun eine Sperre von bis zu zwei Jahren droht.
Es wäre ein herber Verlust für den Tennissport, den Sinner dieser Tage nahe an der Perfektion ausführt. Gegen den chancenlosen Zverev im Finale von Melbourne feierte er seine Satzgewinne 20, 21 und 22 gegen Top-Ten-Spieler - hintereinander!
"Eine fantastische Leistung", wie selbst der sonst so bescheidene Sinner einräumte, bevor er sich den Feierlichkeiten in Melbourne widmete. "Ich bin extrem glücklich", sagte er abschließend. Die Frage ist: Wie lange noch?