Tennis: Wie Sinner den Melbourne-Titel verteidigte und zum absoluten Dominator wurde

Jannik Sinner mit der Trophäe der Australian Open 2025
Jannik Sinner mit der Trophäe der Australian Open 2025ČTK / AP / Mark Baker
Jannik Sinner (23) bleibt der Herrscher im australischen Tennis-Reich. Der Superstar aus Tirol verteidigte am vergangenen Sonntag seinen Titel in absolut gnadenloser Manier. Von der Position des Weltranglistenersten aus dezimierte er den Rest des Feldes mit scheinbar kindischer Leichtigkeit. Ist der Italiener aktuell überhaupt zu stoppen?

Als er letztes Jahr zum ersten Grand Slam des Jahres 2024 in Melbourne ankam, wirkte er noch wie ein schüchterner Junge, der von seinem ersten großen Durchbruch träumte. Es sollte ihm gelingen: Bei den Australian Open 2024 wurde der Youngster zum ersten Mal Grand-Slam-Champion.

Seitdem ist ein Jahr vergangen und Sinner hat sich eine unschlagbare Aura angeeignet - zumindest auf Hartplätzen. Alle anderen Topspieler suchen vergeblich nach Möglichkeiten, ihn zu schlagen. Im Finale der AO 2025 ließ er gegen Alexander Zverev nicht einen einzigen Breakball zu. Sinners Weg zur Trophäe war sicherlich recht dankbar, da seine größten Rivalen allesamt in der anderen Hälfte des Turnierbaums gelost wurden.

So unterlag Carlos Alcaraz einem entschlossenen Novak Djokovic, bevor der serbische Champion dann selbst im Halbfinale gegen Zverev nach einer Verletzung ausschied. Die aktuelle Nummer zwei der Welt, Zverev, scheint dagegen mental nach wie vor nicht auf dem Level der Hauptkonkurrenten zu sein: "Ich denke, ich schlage besser auf als Jannik, aber er kann alles andere besser. Er hat den Sieg verdient, er ist im Moment der beste Spieler auf Hartplätzen", gestand sich der Deutsche selbst ein.

Schlüsselmomente auf dem Weg zum absoluten Dominator in Australien

Jannik Sinner gegen Nicolas Jarry 7:6, 7:6, 6:1

In der ersten Runde hatte es Sinner direkt mit einem Gegner zu tun, der die Sympathien des Publikums auf seiner Seite hatte. Zwar hat auch Jarry eine ähnliche Dopinggeschichte wie der Italiener hinter sich, aber im Gegensatz zu Sinner musste er seine Strafe absitzen. Der Chilene zeigte große Entschlossenheit, erspielte sich Breakbälle und brachte die ersten beiden Sätze in den Tiebreak. Doch am Ende konnte er mit dem präzisen Sinner nicht mithalten.

"Es ist nicht meine Schuld, wie sie ihn behandelt haben", verteidigte sich der Italiener gegen Fragen nach der unterschiedlichen Vorgehensweise der Anti-Doping-Agentur.

Jannik Sinner gegen Holger Rune 6:3, 3:6, 6:3, 6:2

Der Fight gegen Rune im Achtelfinale war eine der größten, wenn nicht die größte Hürde für Sinners AO-Kampagne 2025. Der Däne spielte großartiges Tennis, vor allem im zweiten und dritten Satz. Nachdem er den zweiten gewonnen hatte, war er auch im dritten Satz drauf und dran, Sinners Aufschlag zu durchbrechen.

Doch dem sichtbar erschöpften Italiener gelang es, drei Breakbälle zum 1:1 und einen weiteren zum 2:2 abzuwehren. Das erwies sich als der Schlüsselmoment der Partie. In diesem Match fand zudem der vielleicht beste Ballwechsel des gesamten Turniers statt.

Jannik Sinner gegen Ben Shelton 7:6, 6:2, 6:2

Der amerikanische Youngster spielte zu Beginn des Halbfinales sehr selbstbewusst und nahm Sinner gleich im ersten Spiel den Aufschlag ab. Der Italiener entschied sich im weiteren Verlauf, geduldig von der Grundlinie zu spielen, während Shelton vermehrt ungezwungene Fehler unterliefen. Der anschließende Tiebreak entschied dann über den weiteren Verlauf des Matches, in dem Shelton mehr und mehr den Glauben an den Sieg verlor.

Entscheidende Zahlen:

3

Bis zum Beginn der diesjährigen Australian Open war es nur vier Spielern in der Geschichte der offenen Ära des Tennissports gelungen, drei Grand-Slam-Turniere auf Hartbelägen in Folge zu gewinnen. Jannik Sinner ist nun Fünfter in dieser Rangliste und steht damit in einer Reihe mit Legenden wie John McEnroe, Ivan Lendl, Roger Federer und Novak Djokovic. Dem Serben gelang dieses Kunststück sogar zweimal.

62.26%

Dies ist die Erfolgsquote von Sinner bei seinem zweiten Aufschlag. Wenn man bedenkt, dass seine Geschwindigkeit beim zweiten Aufschlag eher durchschnittlich ist (155 km/h), kann dies als ein außergewöhnlicher Wert angesehen werden. Sinner führt diese Statistik mit 160 von 257 gewonnenen Punkten an. Ihm folgen Novak Djokovic (60,5%), Flavio Cobolli (59,5%) und die großen Aufschläger Giovanni Mpetshi Perricard (57,8%), Ben Shelton (57,8%) und Hubert Hurkacz (57,7%).

10

Jannik Sinner ist der erste Tennisspieler in der Geschichte, der zehn aufeinanderfolgende Matches gegen Gegner aus den Top 10 der Weltrangliste seit deren Einführung im Jahr 1973 gewonnen hat. Wenn jemals von der absoluten Dominanz eines Spielers die Rede war, so hat der Italiener mit dieser Statistik ein deutliches Zeichen gesetzt. Alle anderen Spieler sind im Moment meilenweit davon entfernt.

Dennoch wird ein Schatten des Zweifels über Sinners australischem Triumph und den letzten sensationellen Monaten, in denen er den Rest der Welt überflügelt hat, unweigerlich bleiben. Seine beiden positiven Dopingtests wurden im Wesentlichen unter den Teppich gekehrt. Aber es ist fast schon bewundernswert, wie der Italiener die mental schwierige Zeit meistert: "Ich spiele so gut, weil ich einen klaren Kopf habe. Ich weiß, was passiert ist. Wenn ich wüsste, dass ich schuldig bin, würde ich nicht so entspannt spielen. Das ist alles", sagte er nach seinem Triumph.

Ein besonderer Gruß ging während der Zeremonie, bei der Sinner übrigens nicht mehr schüchtern, sondern spaßend und souverän auftrat, auch an seinen Trainer Darren Cahill auf der Tribüne in Melbourne. Es gilt nämlich als wahrscheinlich, dass der Australier seine Zusammenarbeit mit Sinner zum Ende der Saison beenden wird. "Ich weiß, wie sich Darren fühlt. Es waren seine letzten Australian Open als mein Trainer. Aber vielleicht... Nun, ich werde versuchen, ihn zu überzeugen."

Damit wäre er gut beraten. Denn auch dank der Ratschläge des ehemaligen Tennisspielers ist aus dem schmuddeligen rothaarigen Jungen aus Tirol spätestens im Jahr 2025 der selbstbewusste und absolute Tennis-Dominator schlechthin geworden.