Überlastet zur Show? Erschöpfte Tennisstars und ihr Argumentationsproblem

Zverev wirkte bei seiner Niederlage gegen Rinderknech erschöpft.
Zverev wirkte bei seiner Niederlage gegen Rinderknech erschöpft.Jade Gao / AFP / AFP / Profimedia

Alexander Zverev? Schleppt sich in Shanghai angeschlagen zur nächsten bitteren Niederlage. Jannik Sinner? Humpelt auf seinen Schläger gestützt vom Court und gibt in der chinesischen Metropole mit verletztem Oberschenkel auf. Und Carlos Alcaraz? Der steht beim Masters wegen "körperlicher Probleme" gar nicht erst auf dem Platz. Die Top drei der Weltrangliste geben im Saisonherbst ein bedenkliches Bild ab.

Kein Wunder also, dass die altbekannte Belastungsdiskussion mal wieder aufflammt. Doch mit Blick auf den "Six Kings Slam" ab 15. Oktober wird deutlich: Zumindest die Probleme der Topstars sind teilweise hausgemacht.

"Sie müssen dringend etwas am Kalender ändern", hatte der Weltranglistenerste Alcaraz kürzlich gefordert und sich damit in eine lange Liste von Kritikerinnen und Kritikern eingereiht. Die Saison sei einfach zu "intensiv", monierte etwa Iga Swiatek – und auch Coco Gauff drückte ihren dringlichen Wunsch aus, die Saison zu verkürzen.

Viel Reisen, wenig Regeneration

Sie sprechen damit vielen aus der Seele, denn tatsächlich sind es nicht nur die absoluten Spitzenspielerinnen und -spieler, die leiden. Die Liste der angeschlagenen Profis in den Top 100 von ATP und WTA ließe sich dieser Tage fast beliebig fortführen. Seit Jahren wird das Lazarett im Herbst aus diversen Gründen größer und größer.

Einerseits bleibt insgesamt kaum Zeit zur längerfristigen Regeneration. Nur kurz nach den letzten Turnieren im November beginnt die Vorbereitung auf den ersten Grand Slam des nächsten Jahres, die Australian Open Mitte Januar. Auch die vielen Reisen kosten Kraft; und dann wurden in den vergangenen Jahren auch noch zahlreiche Masters-Turniere zu monumentalen Zwölf-Tage-Events aufgeblasen.

Der Konter von ATP-Präsident Andrea Gaudenzi, die Tennisprofis hätten eine große "Freiheit, ihren Kalender zu gestalten", ist beim aktuellen Weltranglistensystem kein guter. Das nämlich zwingt die Profis, quasi im Interesse der eigenen Karriere möglichst viel zu spielen. Hinzukommen vertragliche Zwänge, an einem Großteil der wichtigsten Turniere teilzunehmen.

Die Topspieler im Männertennis, die definitiv über eine gewisse Macht verfügen, haben also gute Argumente auf ihrer Seite. Nur: Sie torpedieren regelmäßig ihre eigenen Interessen.

Show-Events rechnen sich

Beim "Six Kings Slam" etwa gibt es keinerlei Weltranglistenpunkte zu vergeben, über traditionsbedingtes Prestige verfügt der 2024 ins Leben gerufene Wettbewerb in Riad gewiss auch nicht – dem Sieger aber winkt ein Preisgeld von wohl mindestens 6 Millionen US-Dollar (Wert 2024).

Zverev, Sinner und Alcaraz sind wie auch Novak Djokovic allesamt gemeldet. Und vermitteln damit einen klaren Eindruck: Auf (extrem) gutes Geld – auch aus einem Land mit fragwürdiger Reputation – wollen die Stars dann doch nicht verzichten. Trotz aller Erschöpfung.

Bereits beim Laver Cup, im Grunde ebenfalls ein Showevent, standen kurz nach den US Open unter anderem Zverev und Alcaraz auf dem Court. Solange sich an diesen Verhältnissen nichts ändert, bleibt den Tour-Verantwortlichen immer ein schlagkräftiges Argument, um die berechtigte Kritik der Vielspieler zu kontern. Und am Status Quo festzuhalten.