Tournee-Bilanz: Österreich knackt irre Rekorde, DSV-Adler flügellahm

Team Österreich stellte die ersten drei im Gesamtklassement und schnappte sich elf von zwölf möglichen Podestplätzen
Team Österreich stellte die ersten drei im Gesamtklassement und schnappte sich elf von zwölf möglichen PodestplätzenKERSTIN JOENSSON / AFP
Österreich brach etliche Rekorde, die DSV-Adler schauten nur zu, die Frauen fehlten ganz: Der SID und Flashscore ziehen die Bilanz der 73. Vierschanzentournee.

GEWINNER

DANIEL TSCHOFENIG: Der Kuss mit Freundin Alexandria Loutitt nach dem Tournee-Triumph fiel besonders innig aus. Beide haben nun genau einen großen Skisprung-Titel errungen - und so unwahrscheinlich wie das WM-Gold der Kanadierin 2023, so überraschend war nun auch Tschofenigs Triumph. Vor seinem letzten Tournee-Sprung lag er noch auf Rang drei der Gesamtwertung - und stürmte noch nach ganz vorne. Ein Märchen.

PIUS PASCHKE: Fünf Siege in den ersten acht Saisonspringen, als Weltcup-Spitzenreiter zur Tournee gekommen, dort am Ende Gesamtsechster. Wer das aber als Enttäuschung wertet, wird der Geschichte Paschkes nicht gerecht, vergisst, wo dieser herkommt. Paschke, der mit 29 Jahren seine erste wirkliche Vierschanzentournee sprang, der sich alles über viele Jahre und mit so viel Geduld erarbeitet hat, ist nun einer der weltbesten und der beste Deutsche bei der Tournee. Mit 34. Das ist bockstark.

ÖSTERREICH: Nach zehn Jahren stellt die so stolze Schanzenrepublik endlich wieder den Tourneesieger - und brach dabei etliche Rekorde. Der vielleicht eindrucksvollste: Elf der zwölf Tournee-Podien gingen an die Austria-Adler. Und die Zukunft ist rosig. "Uli Hoeneß würde als österreichischer Skisprungfunktionär sagen: Für die nächsten zehn Jahre können wir uns zurücklehnen", hatte Ex-Bundestrainer Werner Schuster schon vor der Tournee dem SID gesagt.

GREGOR DESCHWANDEN: Auch die Schweiz hat ihren Pius. Deschwanden ist ein knappes Jahr jünger als das deutsche Original und hat sich ebenfalls mit Engelsgeduld kontinuierlich zum Weltklassespringer entwickelt. Nie hat ein Schweizer die Tournee gewonnen, Deschwandens fünfter Platz war dennoch aller Ehren wert. Nun wird es höchste Zeit für den ersten Weltcupsieg.

DIE TOURNEE SELBST: Ausverkaufte Arenen, prächtige Stimmung, grandioser Sport - die Vierschanzentournee funktioniert auch nach fast einem Dreivierteljahrhundert in beeindruckender Weise. Wenig Schnickschnack, behutsam modernisierte Tradition, Charme: In der hektischen Sportwelt des 21. Jahrhunderts ist die Tournee eine beruhigende Konstante, an den Schanzen, vor den Endgeräten. Das Format ist gut, so wie es ist.

VERLIERER

STEFAN KRAFT: Der "Krafti" hatte schon eine Hand am Goldadler, dann setzte der Wind ein. Nach langer Warterei fiel der Österreicher mit dem letzten Sprung der Tournee noch vom ersten auf den dritten Rang zurück. "Ich habe alles probiert. Aber der Goldene Adler wollte nicht zu mir kommen", sagte Kraft sichtlich zerknirscht.

ANDREAS WELLINGER: Er wollte um den Titel kämpfen, doch schon in Oberstdorf platzte mit Platz 20 der Traum. Der Rest war Schadensbegrenzung für den zweimaligen Olympiasieger, der vor einem Jahr noch Platz zwei der Gesamtwertung erreicht hatte. Nun war es am Ende Rang elf - eine bittere Enttäuschung.

DIE POLEN: Noch ist Polen nicht verloren. So beginnt Polens Nationalhymne, und daran könnte sich die gebeutelte Skisprung-Nation aufrichten. Das Problem: Im Skispringen ist diese Hymne derzeit nicht zu hören und wird es in naher Zukunft auch nicht sein. Der dreimalige Sieger Kamil Stoch (37)? Völlig außer Form und nicht dabei. Dawid Kubacki (34), Sieger von 2020? Völlig außer Form und immerhin dabei. Weltmeister Piotr Zyla (37)? Ein Mitläufer. Einzig Pawel Wasek (25) machte als Gesamt-Achter etwas Mut. Wer weiß, wie populär dieser Sport in Polen ist, kann sich die Stimmung im Land vorstellen.