"Mia san Mia" bei der Nordischen Ski-WM: Wellinger, Geiger und das WM-Wunder

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Andreas Wellinger (M.) und sein Team feiern die Silbermedaille in Trondheim.
Andreas Wellinger (M.) und sein Team feiern die Silbermedaille in Trondheim.JONATHAN NACKSTRAND/AFP
Andreas Wellinger grölte auf der späten WM-Party wie im Fußball-Stadion. "Sweet Caroline - oh oh oh", sang der alte und neue Vizeweltmeister inbrünstig im deutschen Teamhotel, der Stadion-Klassiker hätte besser kaum passen können. Denn ähnlich wie einst die deutschen Fußballer waren die DSV-Adler nach vielen Rumpel-Vorstellungen weltklasse, als es darauf ankam. Vor allem für Bayern-Fan Wellinger galt in Trondheim das selbstbewusste Motto seines Herzensklubs: "Mia san Mia."

Zwei Monate lang waren Wellinger und Co. durch ein tiefes Tal gegangen, Woche für Woche abgestürzt, hatten "Dresche bekommen", wie Karl Geiger es ausdrückte. Doch pünktlich zur WM waren sie da. "Man darf uns Deutsche eben nie abschreiben", sagte Geiger, dem als Vierter ebenfalls eine Auferstehung gelang. Auch Bundestrainer Stefan Horngacher, ein Österreicher, lobte die "deutsche Mentalität".

Die große Frage ist nun: War der unerwartete Triumph von Trondheim eine Eintagsfliege - oder können Wellinger und Geiger ihr Comeback in der Weltspitze auf der großen Schanze bestätigen? Wellinger glaubt fest daran. "Wir haben uns wieder aus dem Loch rausmanövriert und sind auf einem aufsteigenden Ast. Dieser Weg sollte jetzt weitergehen", sagte er 32-Jährige dem SID am Montag: "Und ich bin mir sicher, dass wir auch auf der großen Schanze weit fliegen können."

Ein Selbstläufer wird das nicht, zwischen Normal- und Großschanze liegen oft Welten. Niemand wüsste das besser als Wellinger, der vor zwei Jahren in Planica ebenfalls erst Silber holte - und dann auf dem großen Bakken Rang 13 belegte. Andererseits: 2017 in Lahti holte Wellinger Silber auf beiden Schanzen, auch Geiger war 2021 doppelt erfolgreich (Silber auf der kleinen, Bronze auf der großen Schanze).

Möglich ist viel: Drei Titel werden auf der großen Granasen-Schanze noch vergeben - im Mixed (Mittwoch), Team (Donnerstag) und eben dem Einzel (Samstag). Die Erwartungen sind nun deutlich gestiegen. "Wir können jetzt mit einem breiten Kreuz auftreten. Wir haben eine Medaille, die kann uns keiner mehr nehmen", sagt Geiger: "Und auf der großen gibt es nochmal drei zu holen".

Mehr Medaillen am Mittwoch?

Geiger stellte sich auch ausdrücklich hinter Bundestrainer Horngacher, an dem es zuletzt teils deutliche Kritik gegeben hatte. "Es ist unglaublich wichtig für das Team, wenn die harte Arbeit belohnt wird. Da muss ich auch die Trainer in Schutz nehmen. Die machen sehr, sehr gute Arbeit", sagte der Oberstdorfer. Horngacher gab zu, ihm sei "ein extremer Stein" vom Herzen gefallen.

Und nun? Am Mittwoch im Mixed winkt die nächste Medaille, zuletzt gab es fünfmal in Folge Gold für Deutschland. Eine Fortsetzung dieser Serie schien noch vor Kurzem ausgeschlossen, nun ist auch dank der starken DSV-Frauen der nächste Coup wieder möglich.

Einziges Problem: Gibt es erneut eine Medaille, muss Wellinger am Mittwochabend zur Medal Ceremony ins Stadtzentrum von Trondheim. Einen Großteil der Champions-League-Partie seiner Bayern gegen Bayer Leverkusen würde er dann verpassen. "Wenn ich zur Siegerehrung gehen darf, bin ich sehr froh", sagte er dem SID und lachte: "Ich würde sagen: Wenn ich die Bayern live sehen kann, habe ich was falsch gemacht."