Jünger als Nagelsmann: Wird Schattenmann Jaron Siewert zum Meistercoach?

Jaron Siewert ist mit seinen Füchsen Berlin derzeit Tabellenführer.
Jaron Siewert ist mit seinen Füchsen Berlin derzeit Tabellenführer.ČTK / imago sportfotodienst / Sandy Dinkelacker
Die Vergleiche mit Julian Nagelsmann kennt Jaron Siewert. Sie begleiten ihn seit seinem Start bei den Füchsen Berlin im Jahr 2020. Und sie werden natürlich auch jetzt wieder hervorgekramt, wenn in der Hauptstadt womöglich Handball-Geschichte geschrieben wird.

Im Alter von 26 Jahren stieg Siewert seinerzeit zum jüngsten Chefcoach in Deutschlands oberster Spielklasse auf, nun, ein halbes Jahrzehnt später, wäre Siewert mit 31 Jahren der Jüngste, der als Meistertrainer in die Bundesliga-Annalen eingeht. Er würde die beeindruckenden Zahlen Nagelsmanns damit sogar ein weiteres Mal toppen: 28 Jahre alt war der heutige Fußball-Bundestrainer, als er einst bei der TSG Hoffenheim zum Bundesliga-Coach befördert wurde. Mit 34 wurde Nagelsmann (mit dem FC Bayern) schließlich Meister.

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Siewert ist aber nicht bloß jünger. Er ist auch anders. Anders als Nagelsmann. Und anders vor allem als viele andere Profi-Handballtrainer. Die großen Schlagzeilen sind nicht sein Ding, im Schatten der wortgewaltigen und wirkmächtigen Füchse-Macher Bob Hanning (Geschäftsführer) und Stefan Kretzschmar (Sportvorstand) tüftelt Siewert lieber von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt am Berliner Meisterstück.

Natürlich sprechen momentan alle von Welthandballer Mathias Gidsel. Es ist aber auch, nicht wenige sagen, vor allem das Meisterwerk Siewerts, das im Falle von zwei Siegen am Donnerstag (gegen VfL Gummersbach) und am Sonntag (bei den Rhein-Neckar Löwen) nun mit der Schale belohnt wird.

"Jaron ist verdammt jung, aber die Arbeit, die er macht, ist herausragend", sagte Kretzschmar kürzlich der Bild-Zeitung. Siewert bekomme "in der Öffentlichkeit zu wenig Respekt für das, was er leistet. Das ärgert mich." Siewert selbst ficht dieser Fakt wenig an. "Ich suche die mediale Aufmerksamkeit nicht unbedingt und benötige die mediale Bestätigung nicht", betonte er jüngst im rbb-Interview. Die Berichterstattung verfolge er "jetzt nicht wirklich".

Sätze wie diesen darf man ihm getrost abnehmen. Selbstinszenierung und Selbstbeweihräucherung sind so gar nicht sein Ding. In den Sozialen Medien findet Siewert kaum statt, in seinen bislang einzigen beiden Instagram-Posts in 2025 etwa, hob er andere auf den Schild statt sich selbst.

Immer seinen Weg gegangen

Als "sehr analytisch, sehr ruhig und akribisch", beschreibt Hanning seinen Zögling. Siewert sei im Umfeld der verschiedenen Interessenslagen immer seinen Weg gegangen: "Ich will damit sagen: Topstars auf der einen, Jugendspieler auf der anderen Seite, Kretzsche auf der einen, Bob auf der anderen Seite - da seinen eigenen Weg zu finden, das hat er gut gemacht."

Siewerts Weg führte ihn früh zu den Füchsen. Im Berliner Stadtteil Reinickendorf aufgewachsen, trägt er die DNA des Klubs in sich. Als Spieler gewann Siewert im Team mit Fabian Wiede und Paul Drux die deutsche A-Jugendmeisterschaft und wurde 2012 U18-Europameister. Dennoch riet Hanning ihm schon damals zu einer Trainerlaufbahn, seine spielerischen Fähigkeiten würden schließlich "maximal für die zweite Liga Mittelklasse" reichen.

Siewert vertraute den Worten seines Mentors. Er wurde Trainer der Füchse-A-Jugend, wechselte mit nur 23 Jahren in die 2. Liga zu TUSEM Essen. Als er den Traditionsverein aus den Niederungen zum Aufstieg führte, folgte Hannings Rückruf aus Berlin. Der Rest ist Geschichte. Selbst von einem Schlaganfall im Sommer 2022, verursacht durch ein Blutgerinnsel, ließ sich Siewert nicht aufhalten - und steht nun unmittelbar vor seinem Kindheitstraum: dem Gewinn der deutschen Meisterschaft.