Haaland-Beraterin Rafaela Pimenta über Sexismus und nötige Reformen im Transfersystem

Rafaela Pimenta hat sich in einem großen Interview über ihren Aufstieg zur Top-Spielerberaterin geäußert.
Rafaela Pimenta hat sich in einem großen Interview über ihren Aufstieg zur Top-Spielerberaterin geäußert.LaPresse/ddp USA/Profimedia
Als Spielerberaterin von Erling Haaland hat Rafaela Pimenta die Spitze der Fußballwelt erklommen. In einem Interview gibt sie nun Einblicke in ihren Berufsalltag als Frau in einer Männerdomäne und erklärt, warum das Transfersystem aus ihrer Sicht reformiert werden muss.

Die Brasilianerin, eine der einflussreichsten Frauen der Branche und langjährige Weggefährtin des verstorbenen Topagenten Mino Raiola, kritisiert im Gespräch mit "The Athletic" offen, dass ihr Geschlecht auch heute noch ein Thema ist – etwa, wenn Ärzte oder Vereinsverantwortliche überrascht reagieren, dass sie als Frau diesen Beruf ausübt. Solche Reaktionen seien keine Einzelfälle, sondern Ausdruck eines tief verankerten Sexismus im Fußballgeschäft.

Auch wurde sie in der Vergangenheit von einem Vereinsfunktionär beleidigt, der sie in einer Besprechung rassistisch und sexistisch herabsetzte. Ein Manager habe ihr in einer Besprechung vor einem Spieler und dessen Vater gesagt, sie sei Brasilianerin, deshalb hielten sie sie für eine „Nutte“. Dieser Vorfall habe sich ihr tief eingeprägt.

Fall Rubiales: Kuss unter Männern "unvorstellbar"

Als nicht-geschäftsführende Direktorin von "Women In Football" engagiert sie sich für mehr Sichtbarkeit und Gleichstellung von Frauen in der Branche. Ihre Agentur betreut inzwischen auch zahlreiche weibliche Athletinnen – darunter Weltmeisterinnen wie Esther González – und setzt sich bewusst dafür ein, die Plattform des Männerfußballs zu nutzen, um den Frauenfußball voranzubringen.

Besonders emotional äußert sich Pimenta zum Fall Luis Rubiales und dem erzwungenen Kuss gegen die Spielerin Jenni Hermoso. “Stellen Sie sich vor, Messi hätte gerade die Weltmeisterschaft gewonnen und Infantino küsst ihn auf den Mund. Das ist unvorstellbar."

Auch die Sexualisierung von Fußballerinnen in Medien und sozialen Netzwerken kritisiert sie scharf: Frauen würden oft auf ihr Aussehen reduziert, statt für ihre sportlichen Leistungen anerkannt zu werden.

"Girl Power": Weibliche Zusammenarbeit im Fußball

In der Branche erlebte Pimenta, dass Frauen häufig „unsichtbar“ arbeiten – die Entscheidungen treffen meist Männer, während Frauen als unterstützendes Personal im Hintergrund bleiben. Dennoch erfuhr sie auch Solidarität unter Frauen: Kolleginnen innerhalb von Klubs verschafften ihr bewusst Informationen und Rückhalt – ein Ausdruck weiblicher Verbundenheit, den sie als „Girl Power“ beschreibt.

Trotz aller Hürden sieht sie ihr Frausein auch als potenziellen Vorteil – zumindest dann, wenn es anderen Frauen Mut mache. Ihre oberste Priorität sei aber immer, die Interessen ihrer Klienten in den Vordergrund zu stellen.

Im wirtschaftlichen Bereich war Pimenta federführend an einem der größten Deals der Fußballgeschichte beteiligt: dem langfristigen Vertrag von Erling Haaland bei Manchester City – ein Projekt, das sie als „künstlerisches Meisterwerk“ beschreibt.

Gleichzeitig mahnt sie eine Reform des Transfersystems an. Spieler seien oft vertraglich gefangen, auch wenn persönliche oder familiäre Gründe für einen Wechsel sprechen. Ihrer Meinung nach braucht es klare und faire Regeln, um dem System seine Menschlichkeit zurückzugeben – im Männer- wie im Frauenfußball.

Rafaela Pimenta: Frauenfußball braucht Umdenken

Für den Frauenfußball sieht Pimenta enormes Potenzial, warnt jedoch vor einer gefährlichen Schieflage: Während die Erwartungen steigen, blieben die Gehälter vieler Spielerinnen prekär. Eine nachhaltige Entwicklung dürfe nicht auf dem Rücken der Athletinnen ausgetragen werden. Investitionen in Infrastruktur müssten Hand in Hand mit fairer Entlohnung gehen.

Pimenta versteht Fußball als gesellschaftliches Werkzeug – insbesondere den Frauenfußball. Er könne Mädchen stärken, kulturellen Wandel vorantreiben und soziale Räume öffnen. Doch dafür brauche es ein Umdenken – in den Chefetagen, Medien und der öffentlichen Wahrnehmung.