Auf der ewigen Baustelle Abwehr rannten selbst die "Vorarbeiter" kopflos herum. Derjenige, der kein Projektleiter mehr sein darf, stand kopfschüttelnd daneben.
"Nach einer Minute gibt es die erste Torchance!", schimpfte der fassungslose Joshua Kimmich nach der Blamage von Bratislava. Und was für eine! Was folgte, war aber noch schlimmer: In 90 Minuten kollektivem Tiefschlaf wurde die Verteidigung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft von mittelmäßigen Slowaken zerrissen.

DFB wehrt sich gegen Rassismus
Der bemitleidenswerte Debütant Nnamdi Collins – beim 0:2 (0:1) mit Knoten in den Beinen zur Halbzeit ausgewechselt. Antonio Rüdiger, vermeintlicher Top-Star von Real Madrid – stolperte herum, als stehe er in Bowling-Schuhen auf spiegelglattem Eis. Jonathan Tah, der erfahrene neue Bayern-Profi – nur minimal besser.

Im Netz ergoss sich rassistischer Hass über sie. Der DFB sah sich genötigt, in den Sozialen Medien ein Stoppschild zu setzen. "Wir sind nicht zufrieden. Ihr seid nicht zufrieden. Können wir auch absolut nicht sein. Aber bevor ihr jetzt unter diesem Post kommentiert, denkt bitte daran, dass Hass Situationen noch nie besser gemacht hat. Besonders Rassismus hat hier überhaupt keinen Platz", hieß es auf den offiziellen Kanälen des DFB.
Match-Center: Slowakei vs. Deutschland
Taktik laut Kimmich nicht das Problem
"Da braucht man dann auch nicht über System, Taktik, Viererkette, Dreierkette oder sonst irgendwas zu sprechen", sagte Kapitän Kimmich zornig.
Hohe Außen, tiefe Außen – alles Kokolores? Es gehe "einzig und allein" um die Einstellung. Das sollte vielleicht auch eine Entlastung für seinen Bundestrainer sein – ein "Wir waren schuld". Es zeigte aber doch nur, dass an diesem furchtbaren Fußballabend selbst grundlegende Anforderungen an Nationalspieler unerfüllt blieben.
Das fällt selbstverständlich auf Nagelsmann zurück, der innerlich kochte und seine Analyse durch die Zähne presste. "Wir haben an Zweikämpfen alles verloren, was es zu verlieren gab", hatte er richtig gesehen, "das gesamte Konstrukt war extrem instabil."

Scharfe Kritik von Schweinsteiger
Bastian Schweinsteiger ruderte als TV-Experte der ARD ratlos mit den Händen, er wurde deutlich wie nie: "Das hat mit Verteidigen überhaupt nichts zu tun", kritisierte der Weltmeister von 2014 vernichtend: "Ich habe keine deutsche Fußball-Nationalmannschaft gesehen."
Die Verantwortung für mangelnde Struktur und Kreativität schob er dabei der Abwehrreihe zu – diese habe nie erkannt, wohin der Ball gespielt werden musste. Immerhin wird an der Verteidigung am Sonntag (20:45 Uhr/RTL) in Köln von Nordirland wohl weniger gerüttelt werden.

Kimmich in die Viererkette?
Wie reagiert Nagelsmann? Der Bundestrainer hatte vorab ausführlich über sein "Herzstück" Mittelfeld doziert, in dem es keine großen Änderungen mehr geben werde, ja, geben dürfe bis zur WM. Doch nach dem Spiel öffnete er die Türe für eine neuerliche Abordnung Kimmichs auf die chaotische Abwehr-Baustelle. "Das ist immer eine Option", betonte er. Sinngemäß: Er könne sich ja keine Weltklassespieler backen.

Der Versuchsaufbau mit Collins war ihm explosiv um die Ohren geflogen. Ihn zum Sündenbock abzustempeln, war Nagelsmann aber mit Recht zu billig. Er wolle nicht auf dem Frankfurter "rumhacken", nehme das auf seine Kappe, sagte der Bundestrainer. Er hatte in seiner Not sogar Maximilian Mittelstädt auf die ungewohnte rechte Seite beordert: Er wollte wohl Kimmich nicht schon nach 45 Minuten wieder verschieben.
Das Problem waren aber die Erfahrenen, die Collins keine starke Schulter boten. Auch in der deutschen Presse steigt der Druck auf Julian Nagelsmann. Der Bundestrainer sollte sich besser einen Schutzhelm aufsetzen.
