Als Mr. Cool: Bundestrainer Nagelsmann kämpft gegen das große WM-Zittern

Nagelsmann plant mit zwei Siegen gegen Luxemburg und Nordirland.
Nagelsmann plant mit zwei Siegen gegen Luxemburg und Nordirland.Foto von FEDERICO GAMBARINI / DPA / DPA PICTURE-ALLIANCE VIA AFP

Die DFB-Elf steht in der Quali in der Pflicht, nur noch Siege zählen - doch die Probleme sind riesig.

Bei der emotionalen Rückkehr in sein altes "Wohnzimmer" warnte Julian Nagelsmann vor unbequemen Gästen. "Wir sind nicht in der Situation", betonte der unter massiven Quali-Druck geratene Bundestrainer, "irgendwelche Gegner zu unterschätzen." Nicht einmal Luxemburg, die Nummer 96 der Weltrangliste am Freitag (20.45 Uhr/ARD) in Nagelsmanns früherer Wirkungsstätte Sinsheim.

Personallage entspannt sich langsam

Denn die Not ist groß, die Fußball-Nation zweifelt und zittert um das WM-Ticket. Trotz seiner Mahnung gab Nagelsmann den Mr. Cool. Als ginge ihn das Treiben seiner rechtzeitig genesenen Sturm-Hoffnung Nick Woltemade und all der anderen Stars nichts an, verzog sich der Bundestrainer beim Abschlusstraining auf den Nebenplatz und schaute dort entspannt seinen Torhütern zu.

Was er sah, gefiel ihm: Oliver Baumann, der zu Wochenbeginn über Übelkeit geklagt hatte, steht bereit. Auch Woltemade, der auf dem Hauptplatz später auch unter Nagelsmanns Beobachtung übte, könne nach seinem grippalen Infekt "Stand heute" auflaufen. Viel mehr gute Nachrichten gibt es aber nicht aus dem Lager der DFB-Elf.

Zwei Siege müssen her

Erstmals droht sie eine WM auf sportlichem Wege zu verpassen. Nagelsmann hat sich seine öffentlichen Träumereien vom fünften Stern verboten und irdische Dinge in den Blick genommen: "Zwei Siege - das ist unser klares Ziel, um die WM-Qualifikation weiter auf direktem Weg zu erreichen."

Das heißt: Ein Erfolg bei der Pflichtaufgabe in Sinsheim - einem "für mich persönlich besonderen Ort", wie der frühere Hoffenheim-Trainer Nagelsmann betonte. Dann ein zweiter am Montag gegen Nordirland in hitziger Atmosphäre in Belfast. Sein zweijähriges Dienstjubiläum tags darauf wird Nagelsmann nur mit sechs Punkten feiern können.

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Vorerst ist er bemüht, den Puls seiner 84 Millionen Bundestrainer-"Kollegen" zu senken. "Auch wenn wir weiterhin auf einige Spieler verzichten müssen, sind wir überzeugt: Unser Kader hat die Qualität, um es besser zu machen als zuletzt." Rudi Völler sprang ihm zur Seite. "Manchmal ist es gut", sinnierte der Sportdirektor, "einen Schuss vor den Bug zu bekommen."

Wiederholt sich die Geschichte vor der WM 2002?

Doch Nagelsmann steht vor einem Mount Everest an Problemen, acht Monate vor dem herbei fantasierten Gipfelsturm existiert die WM-Elf nur in seinem Kopf. Stattdessen hat der Bundestrainer mit Ausfällen, Formschwächen, einer Systemdebatte und skeptischen Fans zu kämpfen, die er mit seinem "Hyänen"-Vergleich zuletzt nicht eben besänftigte.

"Gerade deswegen", mahnte Verbandsgeschäftsführer Andreas Rettig angesichts des im September in Köln pfeifenden Anhangs, "müssen wir den Kredit, den wir gerade etwas verspielen, wieder zurückgewinnen. Wir dürfen uns keinen Ausrutscher mehr erlauben!"

Ansonsten muss Deutschland zum zweiten Mal nach dem Zitterduell mit der Ukraine auf dem Weg zur Vize-Weltmeisterschaft 2002 in die Play-offs. Immerhin ist die DFB-Elf, nach der Blamage von Bratislava (0:2) nur Dritter in der Gruppe A, für die K.o.-Spiele über die Nations League bereits qualifiziert.

Noch einige Baustellen offen

Doch Nagelsmann sieht eine "sehr instabile Situation". Noch immer und noch länger muss er auf Säulen wie Marc-André ter Stegen, Antonio Rüdiger, Jamal Musiala und Kai Havertz verzichten. Noch immer wackelt seine Defensive, weshalb er im Training "ein Augenmerk auf gemeinschaftliches Verteidigen" legte.

Nach wie vor sucht er aber auch nach einem Nebenmann für Kapitän Joshua Kimmich im "Herzstück" Mittelfeld. Und für Luxemburg hat er drei Stürmer im Kader, die noch nie für die DFB-Elf getroffen haben.

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Was Nagelsmann hilft: Das Comeback von Nico Schlotterbeck. "Einen herausragenden Spielaufbau" und "einen super Siegeswillen" bringe der Dortmunder mit. Ob Schlotterbeck als Teil einer Viererkette, die in der Slowakei untergegangen war, oder wie von Lothar Matthäus gefordert im gegen Nordirland (3:1) stabileren 3-4-2-1-System verteidigen soll, ist offen. Als Kimmichs Partner wird dessen Münchner Klubkollege Aleksandar Pavlovic erwartet. 

Die Offensive soll Florian Wirtz tragen - trotz Formschwäche. Völler ist sicher, dass er "zwei wunderbare Länderspiele" zeigen wird. Die würden auch Nagelsmann helfen.

Zum Match-Center: Deutschland vs. Luxemburg