EXKLUSIV: PSG-Legende Verratti über Messi, den EM-Triumph und die neue Heimat

Marco Verratti während des Interviews mit Flashscore
Marco Verratti während des Interviews mit FlashscoreDavid Pávek

Er galt lange als einer der feinsten Spielgestalter Europas: Marco Verratti, jahrelanger Fixpunkt im Mittelfeld von Paris Saint-Germain. Nach elf Jahren in der französischen Hauptstadt hat der italienische Nationalspieler ein neues Kapitel in der Qatar Stars League aufgeschlagen. Im Gespräch mit Flashscore blickt der 32-Jährige zurück auf seine Zeit bei PSG, den EM-Titel 2021 und erzählt, warum er sich in Katar zuhause fühlt.

Flashscore: Du bist nun in deiner dritten Saison in Katar. Wie würdest du die Liga beschreiben?

Verratti: „Der Fußball hier ist anders, aber am Ende bleibt Fußball eben Fußball. Ich brauche nur einen Ball und ein paar Mitspieler – dann habe ich Spaß. Ich fühle mich sehr wohl hier.

Die Unterschiede liegen eher im Umfeld. In Europa steht viel mehr auf dem Spiel: wenn du am Sonntag verlierst, spürst du den Druck schon Mitte der Woche. Hier ist das Leben entspannter, die Menschen ruhiger. Dafür entdecke ich eine neue Kultur und einen anderen Lebensstil, was mir sehr guttut.“

Ein Italiener ohne Serie-A-Einsatz

Flashscore: Du bist wahrscheinlich der bekannteste italienische Profi, der nie in der Serie A gespielt hat. Was denkst du über diesen Rekord?

Verratti: „Im Fußball kann man nie wissen. Momentan bin ich glücklich hier, meine Familie auch. Ich fühle mich körperlich gut, hatte zum Glück keine schweren Verletzungen. Wer weiß, vielleicht ergibt sich irgendwann eine Möglichkeit, ausschließen will ich nichts.“

Marco Verrattis letzte Spielzeiten in Zahlen
Marco Verrattis letzte Spielzeiten in ZahlenFlashscore

Flashscore: Dein letztes Länderspiel war 2023. Denkst du an ein Comeback im Nationalteam?

Verratti: „Ehrlich gesagt: im Moment nicht. Als ich nach Katar ging, war das auch eine persönliche Entscheidung. Meine Kinder leben weiterhin in Paris, und die Länderspielphasen sind die einzige Zeit, in der ich sie sehe. Fußball ist meine Leidenschaft, aber meine Kinder stehen an erster Stelle.“

Flashscore: Du hast deinen Durchbruch in Pescara unter Zdeněk Zeman geschafft. Welche Erinnerungen hast du an ihn?

Verratti: „Für mich war er der beste Trainer, den ich je hatte. Junge Spieler können bei ihm unglaublich viel lernen: über Taktik, Technik und Disziplin. Er hat mir alles beigebracht, was ich über Fußball wissen muss. Ein großer Teil meiner Karriere ist ihm zu verdanken.“

Marco Verratti beim Serie-C-Playoff zwischen Pescara Calcio und Ternana im Juni 2025
Marco Verratti beim Serie-C-Playoff zwischen Pescara Calcio und Ternana im Juni 2025DOMENICO CIPPITELLI / NURPHOTO / NURPHOTO VIA AFP

Flashscore: Hast du noch Kontakt zu ihm?

Verratti: „Ab und zu, zu Geburtstagen oder an Weihnachten. Im Fußball verliert man sich leicht aus den Augen, aber Zeman bleibt für mich eine besondere Person.“

Ein Stück Heimat: Verratti als Mehrheitseigner von Pescara

Flashscore: Du bist mittlerweile Mehrheitseigner deines Jugendvereins. Warum hast du dich dafür entschieden?

Verratti: „Das war eine Herzensangelegenheit. Pescara hat mir alles gegeben: Unterstützung, Vertrauen, Ausbildung. Ich wollte etwas zurückgeben, damit die Kinder dort dieselben Chancen bekommen wie ich. Wir investieren in Infrastruktur und Ausbildung, um den jungen Spielern eine Zukunft zu ermöglichen.“

Flashscore: Du hast mit Italien während der Pandemie die EURO 2020 gewonnen. Was bedeutet dir dieser Erfolg?

Verratti: „Das war wahrscheinlich das schönste Gefühl meiner Karriere. Für die Nationalmannschaft zu gewinnen, ist etwas Einzigartiges, die ganze Nation steht hinter dir. Keine Vereinsrivalitäten, nur Italien. Und den Titel im Wembley gegen England zu holen, war einfach magisch. Diese Erinnerungen bleiben für immer.“

Marco Verratti (links), Giovanni Di Lorenzo und Ciro Immobile feiern mit dem Pokal nach dem Sieg im UEFA EURO 2020-Finale zwischen Italien und England
Marco Verratti (links), Giovanni Di Lorenzo und Ciro Immobile feiern mit dem Pokal nach dem Sieg im UEFA EURO 2020-Finale zwischen Italien und EnglandANDY RAIN / POOL / EPA / Profimedia

Flashscore: Du hast über ein Jahrzehnt bei PSG gespielt und bist dort zur Legende geworden. Was bleibt dir in Erinnerung?

Verratti: „Ich kam mit 19, ging mit 31, das waren meine wichtigsten Jahre. PSG war mein Zuhause, ich bin dort erwachsen geworden. Ich habe großartige Menschen kennengelernt, meine Kinder sind in Paris geboren. Natürlich hätten wir gerne die Champions League gewonnen, aber auch ohne diesen Titel war es eine unvergessliche Zeit. Ich bin PSG zu großem Dank verpflichtet.“

„Ich schaue jedes Spiel“ – Verratti über seine Verbindung zu Paris

Flashscore: Verfolgst du PSG weiterhin?

Verratti: „Immer! Meine Kinder sind große Fans, und ich habe dort noch viele Freunde. Ich schaue jedes Spiel und wünsche ihnen den Erfolg. Ich habe sogar selbst die Dauerkarten für meine Kinder gekauft. Außerdem treffe ich Nasser (Al-Khelaïfi) hier in Doha regelmäßig. Ich fühle mich dem Klub immer noch sehr verbunden.“

Flashscore: Wie war es, mit Messi, Neymar und Mbappé zu spielen?

Verratti: „Jeder von ihnen ist einzigartig. Ich hatte zu allen ein tolles Verhältnis. Messi ist unglaublich bescheiden. Man vergisst fast, dass man mit dem besten Spieler der Geschichte auf dem Platz steht. Er ist der Erste beim Training, liebt jede Übung, ein großartiger Mensch.

Marco Verratti und Lionel Messi am Ball während ihrer Zeit bei PSG
Marco Verratti und Lionel Messi am Ball während ihrer Zeit bei PSGMatthieu Mirville / Matthieu Mirville / DPPI via AFP / Profimedia

"Und Kylian ist besessen davon, der Beste zu sein. Er erinnert mich an den brasilianischen Ronaldo: explosiv, entscheidend, immer bereit.“

Als Zuschauer beim PSG-Triumph in der Champions League

Flashscore: PSG hat vergangene Saison endlich die Champions League gewonnen. Wie hast du das erlebt?

Verratti: „Ich war mit Freunden aus Paris im Stadion. Nach all den Jahren war das eine riesige Erleichterung für den Klub, für den Präsidenten, für alle, die dort arbeiten. Ich habe mich wirklich gefreut, weil ich weiß, wie sehr sie diesen Titel wollten. Auch wenn ich nicht mehr Teil der Mannschaft war, fühlte ich mich emotional verbunden. Ich bin einfach glücklich, dass sie es geschafft haben.“