Zwangsabstieg von Olympique Lyon: Die Hintergründe einer historischen Entscheidung

John Textor steht im Zentrum der Affäre um den Zwangsabstieg von Olympique Lyon.
John Textor steht im Zentrum der Affäre um den Zwangsabstieg von Olympique Lyon.Matthieu Mirville / DPPI via AFP
Am Dienstag fiel ein Paukenschlag, die nicht nur in der französischen Fußballlandschaft für ein Beben sorgte: Die nationale Kontrollbehörde für den Sport (DNCG) stufte Olympique Lyon administrativ in die Ligue 2 ab. Damit erlebt einer der traditionsreichsten und erfolgreichsten Klubs Frankreichs seinen ersten Zwangsabstieg der Geschichte. Flashscore blickt auf die Hintergründe der Entscheidung.

Nach der Entscheidung gehen die Fans des früheren Serienmeisters gegen Eigentümer John Textor auf die Barrikaden. Mit "Textor raus"-Plakaten, die die Ultra-Gruppierung "Les Bad Gones" in der ganzen Stadt platzierte, machten die Anhänger ihrer Wut Luft. An einer Brücke über einer zentralen Straße in Lyon hing zudem laut AFP ein Banner: "Textor: Der Krieg ist erklärt".

Der Amerikaner Textor werde "niemals einer von uns sein", schrieb "Les Bad Gones", der größte Fanklub von "OL". Er sei vielmehr ein "Botafogo-Anhänger". Den brasilianischen Klub besitzt Textor auch über seine Holding.

Zwangsabstieg trotz Spielerverkäufen

Die Direction nationale de contrôle et de gestion (DNCG) ist die unabhängige Finanzaufsichtsbehörde des französischen Profifußballs. Sie überwacht die wirtschaftliche Solidität der Vereine und greift ein, wenn finanzielle Bedenken bestehen. Artikel 11 ihrer Vorschriften erlaubt es ihr, Vereine bei unzureichender Finanzlage administrativ herabzustufen – selbst wenn diese sportlich die Klasse halten.

Bereits am 15. November 2024 hatte die DNCG Lyon vorsorglich mit einem Transferverbot, einer Gehaltsobergrenze und einem drohenden Zwangsabstieg belegt. Trotz zwischenzeitlicher Maßnahmen – darunter der Verkauf wichtiger Spieler wie Rayan Cherki (42,5 Mio. Euro an Manchester City) und Maxence Caqueret (17 Mio. Euro an Como) sowie weiterer Einnahmen durch Transferoptionen – konnte der Klub die Behörde nicht von seiner langfristigen Finanzstabilität überzeugen.

Auch der Rückgang der Gehaltskosten durch das Vertragsende von Leistungsträgern wie Lacazette, Lopes und Tagliafico reichte nicht aus. Dass einige dieser Einnahmen noch nicht vollständig verbucht sind, trug zur Skepsis der DNCG bei.

Eigentümer Textor unter Druck

Im Zentrum der Kritik steht Eigentümer John Textor, der 2022 das Ruder von Klublegende Jean-Michel Aulas übernahm. Der US-Geschäftsmann betonte bei seiner Anhörung zwar, dass er mit seiner Eagle Football Group erhebliche Investitionen getätigt habe – darunter ein für 200 Millionen Euro geplanter Verkauf von Anteilen an Crystal Palace. Doch diese Mittel sind bisher weder garantiert noch verfügbar.

Zudem steht ein aus dem Jahr 2022 stammendes Darlehen über 382 Millionen Euro an den US-Pensionsfonds Ares im Raum – mit einem Zinssatz von satten 13 % und Laufzeit bis 2028. Angesichts des Abstiegs und unsicherer Zukunftsaussichten droht auch von dieser Seite Unruhe.

Olympique Lyon bezeichnete die Entscheidung als „unverständlich“ und kündigte umgehend Berufung an. Dafür bleiben dem Klub sieben Tage ab offizieller Zustellung der Entscheidung. In dieser Zeit muss OL überzeugende finanzielle Garantien vorlegen, um eine Kehrtwende zu bewirken.

Ein schneller Transfer – etwa des belgischen Stürmers Malick Fofana, der mit Chelsea in Verbindung gebracht wird – könnte bis zu 30 Millionen Euro einbringen und die Bilanz kurzfristig entlasten. Doch auch das ist spekulativ. Sollte die Berufung bei der DNCG scheitern, kann OL weitere Instanzen anrufen, unter anderem das französische Olympische Komitee (CNOSF) und letztlich ein Verwaltungsgericht.

Stade Reims könnte profitieren

Laut Artikel 520 der Wettkampfordnung der LFP würde im Fall eines bestätigten Abstiegs der Relegationsverlierer Stade Reims nachrücken und doch noch in der Ligue 1 bleiben. Reims hat die DNCG-Prüfung trotz sportlichem Abstieg problemlos bestanden – ein weiterer Indikator, wie ernst die wirtschaftlichen Standards im französischen Fußball genommen werden.

Lyon reiht sich in eine lange Liste von prominenten Vereinen ein, die durch die DNCG herabgestuft wurden. Beispiele wie Bastia, Grenoble, Le Mans oder zuletzt 2024 das ehemals große Girondins Bordeaux zeigen, wie dramatisch die Folgen eines finanziellen Abstiegs sein können – bis hin zum Absturz in die Amateurligen. Für OL, das zuletzt 1989 in der zweiten Liga spielte, ist der Gang in die Ligue 2 nicht nur ein wirtschaftlicher Rückschritt, sondern auch ein tiefer sportlicher Einschnitt.

Der Fall Olympique Lyon ist ein mahnendes Beispiel für die Risiken aggressiver Expansionsstrategien im Profifußball. Trotz sportlicher Stabilität führte ein Mangel an wirtschaftlicher Transparenz und belastbaren Finanzierungsplänen zu einer historischen Entscheidung. Die nächsten Tage und Wochen werden entscheidend sein: Gelingt die Berufung – oder besiegelt Lyon endgültig seinen Absturz in die Ligue 2?