Noch vor wenigen Jahren stand Donnarumma in Paris massiv in der Kritik. Unsicherheiten bei hohen Bällen, schwache Leistungen in der Spieleröffnung und entscheidende Fehler in wichtigen Partien hatten sein Standing bei Fans und Medien beschädigt. Doch diese Saison schrieb eine andere Geschichte: Gegen Gegner wie Liverpool und Arsenal in der Champions League sowie Atletico und Bayern bei der Klub-WM war er der Fels in der Brandung, parierte spektakulär und rettete sein Team mehrfach in entscheidenden Momenten – besonders im Elfmeterschießen.
Der Ruf „Merci Gigio“ hallte durch den Parc des Princes, das Vertrauen war zurück. Sportlich scheint Donnarumma so stark und konstant wie nie. Und doch – sein Platz im Team ist nicht sicher.
Die Erklärung für die mögliche Trennung liegt nicht in Donnarummas Form, sondern in den Ansprüchen von Trainer Luis Enrique. Der Spanier verfolgt eine klare taktische Vision: Er bevorzugt Torhüter, die aktiv am Spielaufbau teilnehmen, präzise lange Pässe spielen und unter Druck ruhig bleiben. Genau hier liegt Donnarummas Schwäche. Seine Passquote bei langen Pässen (über 35 Meter) lag in der Liga zuletzt bei nur 34 %.
Schon im Verlauf der Saison zeichnete sich Enriques Skepsis ab. In einigen Spielen ließ er Matvey Safonov beginnen, etwa gegen Lens oder Bayern München, und begründete dies öffentlich mit der besseren „Druckresistenz“. Auch nach dem Achtelfinale gegen Liverpool – trotz Donnarummas Glanzleistungen – blieb der Eindruck bestehen, dass Enrique nicht vollends von seinem Stammtorwart überzeugt ist. Kleine Fehler, riskante Pässe oder unsichere Flugbälle blieben im Gedächtnis des Trainers haften – während sie bei Fans im Freudentaumel untergingen.
Donnarumma passt nicht ins Gehaltsgefüge – und die Philosophie
Hinzu kommt ein anderer, nicht minder entscheidender Aspekt: das Gehalt. Donnarumma verdient rund 850.000 Euro brutto pro Monat und strebt angesichts seiner Leistungen eine Erhöhung an. PSG jedoch hat sich unter der Leitung von Sportdirektor Luis Campos und Trainer Luis Enrique einem strikten Finanzkurs verschrieben. Die Zeiten der Sonderbehandlungen und Gehaltsausnahmen sind vorbei – eine klare Lektion aus der Ära Neymar und Messi.
Die Forderungen des Donnarumma-Lagers – verbunden mit dem Ruf nach mehr Einfluss – stoßen auf Widerstand. Campos und Enrique wollen ein Gleichgewicht im Kader bewahren, und ein überzogener Vertrag für einen Torhüter, der nicht perfekt ins System passt, wäre ein Rückschritt in alte PSG-Zeiten.
Dass Paris nun Lucas Chevalier von Lille verpflichten möchte, wird Donnarumma Sorgen bereiten. Der junge Franzose hat eine starke Saison hinter sich und soll nicht etwa als Nummer zwei, sondern als ernsthafte Konkurrenz oder gar Nachfolger aufgebaut werden. Dieses Vorgehen erinnert an vergangene Torwartrochaden bei PSG – etwa Trapp vs. Sirigu oder Buffon vs. Areola – von denen nur wenige gut endeten.
Chevalier passt mit seiner modernen Spielweise und seinem starken Fußspiel besser ins Konzept von Enrique. Der Trainer hat – wie beispielsweise bei Mittelfeldspieler Manuel Ugarte, der inzwischen bei Manchester United spielt – bereits bewiesen, dass er auch auf verdiente Spieler verzichten kann, wenn sie nicht zur Philosophie passen. Donnarumma könnte das nächste Opfer dieser Systemtreue werden.