Vom Titelsammler zum Quereinsteiger: Wücks unerwarteter Weg zur Frauen-EM

Christian Wück führt die DFB-Frauen als Bundestrainer zum EM in der Schweiz.
Christian Wück führt die DFB-Frauen als Bundestrainer zum EM in der Schweiz.MALTE OSSOWSKI/SVEN SIMON/dpa Picture-Alliance via AFP
Es ist gar nicht allzu lange her, da verschwendete Christian Wück noch keinen Gedanken an die deutschen Fußballerinnen. Vor einigen Jahren, gibt er zu, hätte er sich "auch nicht vorstellen können, dass ich in der Frauenmannschaft Nationaltrainer werde". Etwa 2023, als Wück durch den WM-Triumph landesweit für Begeisterung gesorgt hatte - mit der männlichen U17 wohlgemerkt. Doch es kam anders.

Der langjährige Erfolgscoach der Junioren wagte trotz fehlender Erfahrung im Frauenbereich den Quereinstieg - und nach einigen Schwierigkeiten und Misstönen, nach einem Umbruch und vielen Sorgen scheint der 52-Jährige pünktlich zur EM-Titelmission angekommen. Er sei nun "glücklich, froh und stolz, aktiv dabei zu sein", verrät der 52-Jährige im SID-Interview vor dem Turnierstart in der Schweiz (2. bis 27. Juli).

Auf dem Weg zum erhofften Gipfelsturm musste der "Quereinsteiger" aber schon den einen oder anderen Anstieg meistern. Die Unterschiede zwischen dem Junioren- und Frauenbereich seien insgesamt zwar "gering", betont Wück nach rund zehn Monaten im Amt, der Austausch sei dennoch "anders".

Ein Beispiel? "Naturgemäß" sei ein Jugendlicher "nicht so gesprächig" wie eine A-Nationalspielerin. Bei den DFB-Frauen habe es entsprechend einige Sitzungen gegeben, "in denen sehr viele Meinungen vonseiten der Mannschaft kamen. Das war ich so nicht gewohnt."

Neuaufbau nach WM-Enttäuschung in Australien nötig

Ausgerechnet das Thema Kommunikation sorgte auch für die größte Unruhe in Wücks bisheriger Amtszeit. Die öffentliche Kritik von Felicitas Rauch und Nicole Anyomi, aber auch die anschließende Aussprache seien "die Bestätigung" gewesen, "wie wichtig klare Kommunikation ist", betont Wück. Er sagt: Es sei "sehr hilfreich, wenn man viel Feedback bekommt". Aber auch: Kommunikation sei "keine Einbahnstraße".

Zumal dem einstigen Profi, der seine Karriere aufgrund von Verletzungen bereits mit 29 Jahren beenden musste, als Nachfolger des beliebten Horst Hrubesch eine Mammutaufgabe zuteil wurde. Die Nachwehen des WM-Debakels von Australien waren noch nicht vollends abgeklungen, Ausnahmefigur Alexandra Popp und andere langjährigen DFB-Spielerinnen traten nach Olympia zurück, viele neue Gesichter rückten ins junge Team.

Wück, der mit seiner erfolgreichen U17 Attribute wie Wille, Mentalität und Teamgeist verkörpert hatte, musste plötzlich unter deutlich intensiverer Beobachtung liefern. Im Raum stand die Frage: Kann es der Talententwickler auch auf größerer Bühne? Natürlich, sagt er mit Blick auf das öffentliche Interesse an der EM, entstehe "ein gewisser Erwartungsdruck, aber es kommt darauf an, wie ich mit diesem Druck umgehe".

Wück spürt "Verantwortung" für Frauenfußball in Deutschland

Es dauerte jedoch, bis die Spielerinnen die Idee des früheren Bundesliga-Angreifers und dessen Co-Trainerinnen Saskia Bartusiak und Maren Meinert verinnerlichten. Holprig waren die ersten Auftritte verlaufen, Wück sah sich gar gezwungen, öffentlich Alarm zu schlagen. Deutlich zuversichtlicher klang er erst, nachdem sein Team in den jüngsten Nations-League-Spielen endlich das volle Potenzial gezeigt hatte.

Er wisse um die "Verantwortung gegenüber dem Frauenfußball in Deutschland", sagt Wück, der sich im Kreise seiner Spielerinnen inzwischen pudelwohl fühlt - etwa beim Überraschungsbesuch von Schlagerstar Wolfgang Petry in dieser Woche. Alle Turniere mit dem DFB seien ihm bislang "in Erinnerung geblieben. Es waren Erlebnisse, die außergewöhnlich waren". Die anstehende EM wird aber auch für ihn zum Höhepunkt.