EXKLUSIV: Fußballtraum am Polarkreis - Bodø/Glimt-Boss Sakariassen im Interview

Die Fans von Bodo/Glimt sind ein wichtiger Teil des Erfolgs des Vereins.
Die Fans von Bodo/Glimt sind ein wichtiger Teil des Erfolgs des Vereins.CTK / NTB Scanpix / Mats Torbergsen
In der Stadt Bodø, die im Norden Norwegens direkt über dem Polarkreis liegt, haben die Menschen schon immer den Fußball geliebt. Bodø/Glimt wurde vor mehr als einem Jahrhundert gegründet und hat in der 50.000-Einwohner-Stadt alle historischen Schicksalsschläge überstanden. Zum Beispiel, als ein deutscher Luftangriff 1940 die meisten Häuser zerstörte, oder als der Verein 2011 in Konkurs ging. Heute steht der Verein besser da denn je.

Nach der Insolvenz bekam der Klub eine neue Führung. Darunter auch Havard Sakariassen, der mit seinen Kollegen dafür sorgte, dass Bodø/Glimt bereits einige Jahre später kehrte in die erste Liga zurückkehrte. Der Klub hat in den letzten fünf Jahren vier Titel gewonnen und konnte viele Talente für die renommiertesten Teams in Europa heranziehen. Sakariassen ist als sportlicher Leiter des Klubs das Herzstück dieser Entwicklung.

"Vor ein paar Jahren wäre es für junge Spieler vielleicht nicht sehr attraktiv gewesen, am Polarkreises Fußball zu spielen. Für einige Leute hätte es vielleicht verrückt geklungen. Aber jetzt ist es anders, alles hat sich dramatisch verändert."

"Wir haben auch schöne Sommer"

"Die Spieler sind sich bewusst, dass wir in den letzten Jahren etwas aufgebaut haben, und sie sind daran interessiert, Teil unserer Reise zu sein", erklärt Sakariassen in einem exklusiven Interview mit Flashscore.

"Natürlich ist es wahr, dass die Winter hier am Polarkreis ziemlich dunkel sind. Aber andererseits haben wir hier auch sehr schöne Sommer, so dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben, hierher zu kommen."

Havard Sakariassen spricht über Bodo/Glimt-Manager Kjetil Knutsen
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Kontinuität ist der Schlüssel zum Erfolg. Cheftrainer Kjetil Knutsen steht in seiner achten Saison auf der Trainerbank, aber das langjährige Spielkonzept hat eine noch längere Tradition. Tatsächlich hat Bodø seine taktische Formation seit unglaublichen 50 Jahren nicht mehr verändert.

Seit 50 Jahren 4-3-3

"Als die Mannschaft in den 1970er Jahren den norwegischen Pokal gewann, spielten wir in einer 4-3-3-Formation, die sich bis heute gehalten hat", so der Sportdirektor.

"Natürlich haben wir sie ein wenig modifiziert, aber die Basis ist die gleiche. Angriffsfußball liegt in der DNA unseres Vereins, und es spielt keine Rolle, ob wir im norwegischen Pokal gegen einen zweitklassigen Gegner oder in den Europapokalen gegen eine berühmte Mannschaft spielen."

"Auf keinen Fall werden wir unsere Taktik für ein Spiel anpassen und nachlässig werden, das ist hier einfach nicht möglich."

Havard Sakariassen erklärt die Aufbautradition von Bodo/Glimt
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Während der Verein wuchs, musste Sakariassen auch seine Einstellung zu seiner Arbeit ändern. "Wir mussten alle Mut zeigen, dass wir wirklich wachsen wollten. Die Transfersummen sind ein Beispiel dafür. Vor sechs Jahren war es für einen Verein aus Norwegen großartig, einen Spieler für eine Million Euro zu verkaufen." 

Bodø/Glimt will Ablösen steigern

"Aber man muss sich doch die Frage stellen, warum wir Spieler nicht für das gleiche Geld verkaufen können, für das sie zum Beispiel aus Dänemark gehen. Und damit einhergehend sollten wir uns auch trauen, mehr in Neuzugänge zu investieren."

"Wir haben diesen Wandel nur dank des Mutes der Menschen im Verein geschafft", fügt Sakariassen hinzu.

In den letzten zwei Jahren hat dieses Umdenken den Verein in die Lage versetzt, Albert Gronbaek, Faris Moumbagna und Hugo Vetlesen für zusammen mehr als 30 Millionen Euro zu verkaufen.

Nichtsdestotrotz ist Bodø/Glimt im europäischen Vergleich immer noch ein kleinerer Verein, dem es aber gelingt, seine Leistungen stabil zu halten - und gelegentlich einen deutlich bekannteren Gegner auf dem Kontinent zu überraschen.

"Wir arbeiten hier nach unserem Credo, das mit dem Wort 'Vardesmate', übersetzt 'unser Weg', beschrieben wird. Wir versuchen, das volle Potenzial der Menschen im Verein zu nutzen, die aus Bodø kommen und für die der Erfolg der Mannschaft eine Herzensangelegenheit ist. Das bringt alle zusammen."

"Finanziell können wir mit vielen unserer Konkurrenten nicht mithalten, aber wir können unser Bestes geben, alles mit Herz zu machen. Das fängt mit der Atmosphäre in der Kabine und der Kultur im Verein an. Das ist absolut zentral für unseren Erfolg."

Havard Sakariassen erklärt sein Ethos, der Beste zu sein
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Die Fans in der Stadt schätzen die Arbeit der Leute im Verein sehr. Sakariassen selbst ist in einem Haus 50 Meter vom Stadion entfernt aufgewachsen und kickt seit seinem zehnten Lebensjahr bei dem Verein, dem er heute vorsteht.

"Unsere Fans sind unglaublich. In unser Stadion passen 8.000 Menschen, und wenn es sich füllt, bekommt man eine Gänsehaut. Sie singen ununterbrochen und treiben uns an - 15 % aller Menschen in unserer Stadt sind bei den größten Spielen mit uns im Stadion. Ich denke, das ist eine ziemlich gute Statistik", schließt der stolze Sportdirektor mit einem zufriedenen Lächeln ab.

Er und ganz Bodø/Glimt sind ein großartiges Beispiel dafür, dass Fußball, wenn er mit Liebe betrieben wird, überall gedeihen kann - sogar am Polarkreis.