"Geisteskrank": Arminia Bielefeld und die ganz persönliche Marslandung in Berlin

Bielefelds Kapitän Mael Corboz freut sich auf das DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart
Bielefelds Kapitän Mael Corboz freut sich auf das DFB-Pokalfinale gegen den VfB StuttgartČTK / DPA / Sebastian Gollnow
Wenn 100.000 Bielefelder im "permanenten Rausch" in Berlin einfallen, riskieren die ostwestfälischen Feierbiester für den Traum vom goldenen DFB-Pokal liebend gern ihr gesamtes Hab und Gut. "Da kannst du wahrscheinlich am helllichten Tag in Bielefeld einbrechen", scherzte Vereinsikone Ansgar Brinkmann im SID-Gespräch, "es ist keiner da." Denn für die historische Titelchance, den größten Tag in 120 Jahren Arminia Bielefeld, setzt sich eine ganze Stadt in Bewegung.

"Wenn mich vor ein paar Monaten jemand gefragt hätte, ob die Menschheit zuerst auf dem Mars landet, oder Arminia Bielefeld erstmals ins Pokalfinale einzieht – hätte ich gesagt: Wir landen erst auf dem Mars", sagte Brinkmann der Sport Bild. Nun landen bis zu 100.000 (!) Arminen am Samstag in der Hauptstadt, wenn der Zweitliga-Aufsteiger den VfB Stuttgart im Olympiastadion (ab 20 Uhr live im ZDF, bei Sky und in der Flashscore-Audioreportage) zu einem Zweikampf nach dem Vorbild Davids gegen Goliath herausfordert.

Die Absurdität dieses Moments ist selbst für einen Freigeist wie Brinkmann schwer in Worte zu fassen. "Rein hypothetisch - und ich versuche, sachlich zu bleiben, aber es fällt mir schwer - wir gewinnen das Ding. Wenn da mal Manchester City mit Erling Haaland auf die Alm kommen muss, das wäre im positiven Sinne schon geisteskrank", sagte Brinkmann, der von 2001 und 2003 für die Arminia gespielt hatte. In der Tat ist der Meister der 3. Liga nur noch einen Sieg von der Qualifikation für die Europa League entfernt.

"Das ist gerade ein permanenter Rausch, den alle erleben, die es gut mit Bielefeld meinen", sagte Brinkmann. Erst die Rückkehr in die 2. Bundesliga als Drittliga-Meister und auch noch der Triumph im Pokal? Als erster Drittligist überhaupt? Kaum auszudenken! Die große Sause gibt es am Sonntag am Bielefelder Rathaus so oder so, nur die Anzahl der Trophäen ist noch zu klären.

Bielefeld stichelt auf Berliner Plakaten

Obwohl beim Gegner Namen wie Deniz Undav oder Nick Woltemade wirbeln, gibt sich der Trainer offensiv. "Wir wollen das nicht genießen, wir wollen da gewinnen. Du spielst kein Finale, um dabei zu sein", sagte Mitch Kniat im kicker-Interview und fügte an: "Stuttgart hat genauso viel zu verlieren wie wir. Und ganz Bielefeld fiebert mit der Mannschaft."

In der Vorwoche wurde das Hermannsdenkmal bei Detmold, das Ebenbild des Cheruskerfürsten Arminius, der dem Klub seinen Namen gab, in ein XXL-Bielefeld-Trikot gehüllt, zahlreiche Fans pilgerten dorthin. Und in Berlin? Auch dort ist die Arminia omnipräsent. Das Bielefelder Stadtmarketing stichelt mit 60 Plakaten mit der Aufschrift "Stuttgart gibt’s gar nicht. Bielefeld wünscht viel Spaß beim Pokalfinale" an zahlreichen Bahnhaltestellen - in Ablehnung an den Witz, wonach die ostwestfälische Stadt nicht existiere.

Und wie Bielefeld existiert! Die vergangenen Wochen und Monate haben etwas von einer Wiedergeburt. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga 2022 wurde die Arminia im Eiltempo in Liga drei durchgereicht, in der Vorsaison rettete sich der Verein gerade so vor dem fatalen Absturz in die Regionalliga. Auch finanzielle Probleme waren in den vergangenen Jahren keine Seltenheit. Dass der Klub von der Alm plötzlich so aufblühte und im Pokal bis ins Endspiel stürmte, sei, so Brinkmann, "Balsam auf die Seele der Fans".

Und jeder, wirklich jeder, will in Berlin dabei sein.

Zum Match-Center: Arminia Bielefeld vs. VfB Stuttgart