FlashFocus: Timon Wellenreuther - Der Mann mit dem Riecher für den richtigen Moment

FlashFocus: Timon Wellenreuther hat mit Feyenoord den Sprung zum Champions League-Torwart geschafft.
FlashFocus: Timon Wellenreuther hat mit Feyenoord den Sprung zum Champions League-Torwart geschafft.PIERO CRUCIATTI/AFP / Flashscore
In der heutigen Ausgabe von FlashFocus Player blicken wir auf die Karriere eines Torwarts, der lange unter dem Radar geflogen ist, aber der eindeutig den Riecher für den richtigen Augenblick besitzt. Die Geschichte von Timon Wellenreuther ist eine von großen Hoffnungen, ebenso schweren Rückschlägen und einer Liebe, die niemals endet.

Spätestens seit der kolumbianische Angreifer Jhon Duran nach seinem Winterwechsel aus der Premier League zu Al-Nassr nach Saudi-Arabien bekundete, "schon als Kind" die Spiele seines neuen Vereins verfolgt zu haben und sich mit dem Wechsel einen Traum zu verwirklichen, ist klar: Bekundungen einer echten Verbindung zwischen Klub und Spieler laufen heutzutage das Risiko, ins Lächerliche abzurutschen.

Timon Wellenreuther hingegen hätte allen Grund dazu, seine Verbundenheit zur Schau zu stellen. Auch heute, fast zehn Jahre nach seinem Abgang von Schalke 04, lässt der Schlussmann noch verlauten, er sei immer noch "ein bisschen Schalker". Dabei könnten die Realitäten des Zweitligisten und des Champions League-Torwarts inzwischen nicht weiter auseinanderliegen.

Erster goldener Moment im Bernabeu

Die Königsblauen haben dank einer starken Phase gerade die Abstiegssorgen in Richtung Drittklassigkeit hinter sich gelassen, was sich für Wellenreuther wie ein schlechter Scherz anhören muss. Damals, als der zu dieser Zeit 19-jährige Nachwuchstorwart zu seinem Debüt kam, war die Realität in Gelsenkirchen eine ganz andere.

Nach dem Profidebüt in der Bundesliga im Februar 2015 wurde Wellenreuther fast über Nacht Teil des wohl größten Schalker Sieges in der jüngeren Vergangenheit, eines echten Wunders: Der Revierklub, damals ein europäischer Stammgast, besiegte in der Champions League Real Madrid mit 4:3 im legendären Bernabeu-Stadion. Auch wenn es wegen einer 0:2-Hinspielniederlage in der heimischen Arena nicht zum Weiterkommen reichte, bleibt dieser Abend nicht nur für den jungen Timon für immer unvergesslich.

Doch die Karriere von Wellenreuther verlief nicht gradlinig. Zunächst musste sich der Schlussmann hinter Ralf Fährmann anstellen, in der Saison 2015/16 ging es dann per Leihe in der spanische zweite Liga nach Mallorca. Auch nach seiner Rückkehr schaffte der gebürtige Karlsruher nicht den Sprung zur Stammkraft, ein ganzes Jahr verbrachte er bei der Reserve in der Regionalliga.

Schließlich entschied sich der Sohn des ehemaligen Karlsruher SC-Präsidenten Ingo Wellenreuther für einen Tapetenwechsel. 2017 unterschrieb er in der niederländischen Eredivisie bei Willem II und etablierte sich dort trotz zwischenzeitlicher Schwächephase als Stammkraft. Über eine Zwischenstation beim RSC Anderlecht wurde Feyenoord Rotterdam 2022 auf den damals 26-Jährigen aufmerksam und sicherte sich seine Dienste als Ersatzmann für Justin Bijlow.

Gehaltener Elfmeter in der Champions League

Direkt in der ersten Saison kam Wellenreuther zu einigen Einsätzen und durfte im Frühsommer den Eredivisie-Titel feiern - die erste Profi-Trophäe überhaupt in der Karriere des Deutschen. Da Bijlow auch in der aktuellen Saison mit mehreren Verletzungen lange ausfällt, kam der Torwart in der laufenden Spielzeit bereits auf 33 Einsätze.

Den vorläufigen Höhepunkt erreichte er im Hinspiel des Champions League-Achtelfinals, als Wellenreuther gegen Inter Mailand einen Elfmeter von Piotr Zielinski parieren konnte und seine Mannschaft im Spiel hielt. Wieder so ein Moment, in dem der zuvor international weithin unbekannte Wellenreuther die Situation perfekt genutzt hat.

Während der 29-Jährige in der Königsklasse für Furore sorgt, hat er seine Wurzeln nicht vergessen. „Ich vergleiche das gerne mit Schalke: Rotterdam und Gelsenkirchen sind typische Arbeiterstädte, das merkt man bei der Unterstützung der Fans. Sie lieben und leben ihren Verein", sagte Wellenreuther kürzlich im Interview mit der Sport Bild.

Es braucht keine pathetischen Treueschwüre, um sich in die Herzen der Fans zu spielen. Es braucht Entschlossenheit, harte Arbeit und den Riecher für den richtigen Moment. Man darf gespannt sein, wie oft er den in seiner Karriere noch unter Beweis stellen kann.