Der Multi-Funktionär (er hasst dieses Wort glühend) von DFB, DFL, UEFA und BVB will am Sonntag nach 20 höchst intensiven, aufzehrenden Jahren von der KGaA ins Präsidentenamt des e.V. wechseln. Seine Wahl gilt nach einem Machtkampf mit Reinhold Lunow als sicher. Von der Seite der kalten, immens wichtigen Personal- und Finanz-Entscheidungen zieht es ihn auf die Seite des Herzens. "Diesem Verein als Präsident vorstehen zu dürfen", schwärmt der 66-Jährige, "das ist für mich ein Lebenstraum."
Mit "viel Demut" und dem Wissen darum, dass seine Aufgaben ganz andere sein werden. Watzke, der gerne mal mit den Bayern-Granden aneinanderrumpelte und bisweilen großspurig daherkam, der manches bereut und sehr vieles nicht, ist künftig für das warme BVB-Gefühl zuständig. Die Gemeinsamkeit der Familie, für alles von Tischtennis bis Frauen-Handball. Dass er sein riesiges 9000-Wörter-Interview dem Fan-Portal schwatzgelb.de gab, ist eine Verbeugung - wie so oft taktisch äußerst klug.
Parallel wird Watzke auch nach dem Wahlsonntag in anderen Ämtern genügend andere Dinge zu tun haben: "Und die mache ich alle nur für den BVB." Sollten ihn Geschäftsführer Lars Ricken oder Sportdirektor Sebastian Kehl doch noch um Hilfe im Sportlichen bitten, klar: "Ich habe ein großes Netzwerk, dann fliege ich auch mal zu den Bellinghams." Um im Transferringen sein Gewicht einzusetzen, im Falle von Jobe Bellingham: erfolgreich.
Das Mitmischen, das Leiten, Führen, es lag Watzke lange Zeit sehr, aber es bedeutete auch enormen Druck, der ihm anzumerken war. Daher spürt er auch "kein bisschen Trennungsschmerz". Als letzte Instanz für alles verantwortlich gemacht zu werden, über zwei Jahrzehnte, das macht mürbe und müde.
Watzke erinnert an schwierige Corona-Zeit
Watzke hat niemals Nein gesagt, wenn die Borussia rief. 2005 musste er den Verein vor der Insolvenz retten, er hat diese Geschichte eine Million Mal erzählt: Der BVB blickte in die Hölle und hatte ein Bein für den letzten Schritt gehoben, Watzke riss ihn zurück. 2017 dann der Bombenanschlag auf die Mannschaft. Es hätte Tote geben können, eine Ausnahmesituation. Watzke überwarf sich im "Dissens" über den Umgang mit Trainer Thomas Tuchel, den er, gerade erst hat er es in der Sport Bild gesagt, heute nicht mehr entlassen würde.
2022 war alles auf Watzkes Beiseitetreten vorbereitet, auf ein großes Durchatmen. Dann kam, wie er ohne Blick in den Floskel-Duden sagt, "diese verdammte Corona-Scheiße": 151 Millionen Euro Verluste in drei Jahren. Geht nicht, Aki!, sagte da Reinhard Rauball - und selbstverständlich ließ Watzke sich beknien. Für weitere drei Jahre in der Nervenmühle, weil er nichts mehr wollte, als ein bestelltes Feld zu hinterlassen.
Das ist ihm gelungen. Im Vergleich mit dem Beginn von Watzkes Amtszeit erbt Ricken einen Platz im Paradies. Wenngleich einen mit hohem Anspruch. "Ich will mich selbst nicht überhöhen", sagt Watzke, "aber ich glaube, dass ich eine recht große Aufgabe hinterlasse."
Doch wenn Ricken Fragen hat: Der erfahrene Herr Präsident ist ja da. Mit hütender Hand.
