Es ist gut ein Jahrzehnt her, dass Nuri Sahin – damals noch als kreativer Mittelfeldspieler - als Gesicht von Borussia Dortmund galt. Sahin, das Eigengewächs aus Lüdenscheid, war das Herz der Mannschaft, als Jürgen Klopp den Verein zur deutschen Meisterschaft 2011 führte. Doch mit Sahins Abgang in Richtung Real Madrid begann auch ein Kapitel der Unbeständigkeit. Zwar kehrte er später nach Dortmund zurück, doch der Glanz seiner ersten Ära war verblasst.
Die Parallelen zum Trainerposten sind auch ohne den Namen Sahin unübersehbar: Auch dort gab es den großen Höhepunkt der Klopp-Jahre, doch die nachfolgenden Amtszeiten – von Thomas Tuchel über Lucien Favre bis hin zu Edin Terzić – waren oft von Wechselhaftigkeit geprägt. Seit einigen Jahren kann man sich dem Eindruck nicht erwehren, dass ein seinerzeit harsch kritisierter Coach in der Rückschau deutlich positiver erscheint, da es nach ihm stets noch weiter bergab ging. Sahins Abschied aus Dortmund symbolisiert diese Schwere der Erwartungen, die im Umfeld des BVB nach den „fetten Jahren“ um 2010 oft wie eine Last wirkt.
Der Job des BVB-Trainers ist nicht nur sportlich, sondern auch emotional herausfordernd. Borussia Dortmund hat hohe Ansprüche: Die Fans erwarten attraktiven Offensivfußball, die Vereinsführung möchte national mit dem FC Bayern konkurrieren und gleichzeitig junge Talente entwickeln. Diese Ziele in Einklang zu bringen, ist ein Drahtseilakt.
Darüber hinaus bringt die leidenschaftliche Fangemeinde einen enormen Erwartungsdruck mit sich. Der Signal Iduna Park und seine international gefürchtete „Gelbe Wand“ kann sowohl Motor als auch Hemmschuh sein. Die Schwarz-Gelben legen großen Wert auf die Verbindung zu ihren Anhängern, dementsprechend muss ein Trainer nicht nur fußballerische Fachkenntnisse mitbringen, sondern auch ein feines Gespür für die Dynamiken innerhalb und außerhalb des Vereins.
Nach dem Aus von Nuri Sahin und der interimsmäßigen Übernahme durch U19-Übungsleiter Mike Tullberg brodelt die Gerüchteküche. Eine Spuren scheinen heißer zu sein als andere, doch wer wäre die richtige Wahl?
Niko Kovač
Der erfahrene Bundesliga-Kenner soll schon in Gesprächen mit den Verantwortlichen sein und hat bewiesen, dass er auch bei großen Vereinen bestehen kann. Kovač steht für eine disziplinierte Spielweise und ein hohes taktisches Verständnis. Seine Erfahrung beim FC Bayern zeigt, dass er mit Druck umgehen kann, auch wenn seine Amtszeit dort beileibe nicht frei von Kritik war. Sowohl in Frankfurt als auch in Monaco zeigte Kovac seine Qualitäten, die eher dürftigen Amtszeiten in München und Wolfsburg haben sein Image in Deutschland allerdings nicht verbessert.
Urs Fischer
Der ehemalige Erfolgstrainer von Union Berlin hat in seiner Bundesliga-Zeit einen eigenen Stil entwickelt wie kaum ein anderer. Fischer steht für Bodenständigkeit, taktische Flexibilität und ein außergewöhnliches Teamgefühl. Sein Ansatz könnte gut zur Mentalität des BVB passen, insbesondere was die Stabilisierung der chronisch anfälligen Defensive angeht. Fraglich ist eher, ob der Schweizer seinen abwartenden und reaktiven Spielstil aus Köpenicker Zeiten beim BVB anpassen kann, um das nötige Entertainment zu liefern.
Edin Terzić
Terzić, der ewige Hoffnungsträger, bleibt eine Option. Er kennt den Verein, die Spieler und die Fans. Doch nachdem seine letzte Amtszeit trotz Erreichen des Champions League-Finals nicht ohne Nebengeräusche endete, ist ein erneutes Engagement in Dortmund mehr als fraglich. Zumal viele BVB-Fans sich nach zwei Trainern aus dem „eigenen Stall“ einen neuen, externen Impuls wünschen.
Kjetil Knutsen
Als Außenseiter auf der Shortlist hat der Trainer des norwegischen Klubs Bodø/Glimt mit spektakulären Leistungen in Europa auf sich aufmerksam gemacht. Knutsen hat seinen zuvor weithin unbekannten Klub zu vier Meistertiteln in den letzten fünf Jahren geführt und steht für einen erfrischenden Spielstil, der gut ins Ruhrgebiet passen könnte. Allerdings fehlt ihm die Erfahrung in einer Top-Liga, was ein Risiko darstellt.
Der Trainerposten beim BVB bleibt eine der spannendsten Aufgaben im europäischen Fußball. Der neue Coach muss nicht nur auf dem Platz abliefern, sondern auch die Erwartungen eines leidenschaftlichen Umfelds managen.
Doch bevor die nächste folgenschwere Entscheidung getroffen wird, gilt es für Borussia Dortmund, die internen Streitigkeiten auf Führungsebene beizulegen und sich auf eine klare Strategie für die kommenden Jahre festzulegen. Will man am Anspruch des Bayern-Jägers festhalten? Will man wieder mehr mit Talenten aus der eigenen Jugend arbeiten? Egal, wer am Ende auf der Trainerbank das Rennen macht – eines ist sicher: Langweilig wird es in Dortmund nicht.