Oberdorf-Drama wirft Fragen auf: Kreuzbandkrise "macht allen Angst"

Lena Oberdorf ist die letzte betroffene Spielerin in einer Reihe von Kreuzbandverletzungen.
Lena Oberdorf ist die letzte betroffene Spielerin in einer Reihe von Kreuzbandverletzungen.SEBASTIAN WIDMANN / GETTY IMAGES VIA AFP

Als Lena Oberdorf schon wieder ihr Knie unters Messer legen musste, schlugen ihre Teamkolleginnen angesichts der Kreuzbandkrise Alarm. "Das macht gerade allen ein bisschen Angst, wenn man sein Handy öffnet und irgendwie jeden Tag eine neue Verletzung sieht", gab Fußball-Nationalspielerin Alara Sehitler von Bayern München zu.

Es sind erschreckende Zahlen: 16 Spielerinnen fehlen derzeit aufgrund dieser gefürchteten Knieverletzung in der Bundesliga, darunter auch Nationalstürmerin Giovanna Hoffmann sowie -torhüterin Sophia Winkler. Bayern-Star Oberdorf ist seit Juli bereits der neunte Kreuzbandriss-Fall. Dass es die Hoffnungsträgerin zudem innerhalb von 15 Monaten zum zweiten Mal am rechten Knie erwischt hat, warf wieder einmal die Frage auf: Wird genug gegen die Misere getan?

Sie könne "nur appellieren", betonte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer darauf angesprochen am Rande des öffentlichen Trainings in Düsseldorf, "weiter dran zu bleiben, zu forschen und zu schauen, was man möglicherweise noch mehr präventiv tun kann." Die Weltmeisterin von 2003 weiß, wovon sie spricht - sie selbst musste vier Kreuzbandrisse durchmachen.

Die Bedingungen im medizinischen wie athletischen Bereich hätten sich seit ihrer Zeit zwar "enorm verbessert", erklärte Künzer. Trotzdem müsse man "feststellen, dass es die Verletzungen immer noch in einer bestimmten Häufigkeit gibt." Zugleich nehmen Anzahl und Dichte der hochintensiven Spiele im Zuge der Professionalisierung zu, wie Alara betonte: "Die Belastung, die durch die vielen Spiele noch dazukommt, ist wohl auch nicht hilfreich."

Die Gründe für das laut Studien ohnehin bis zu achtmal höhere Kreuzbandrissrisiko bei Frauen sind vielschichtig - angefangen bei der Anatomie und Biomechanik sowie hormonellen Einflüssen. Also muss die Prävention angepasst und optimiert werden, und zwar schon in jungen Jahren.

Spielerinnen mit Training nach männlichen Normen

"Frühzeitiges Training von Landetechnik, Kraft und Körperstabilisierung verringert die Gefahr von Verletzungen des Kreuzbandes", erklärte Thomas Tischer von der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin, denn: "Kreuzbandverletzungen zählen zu den schwerwiegendsten Verletzungen mit den längsten Ausfallzeiten."

Rebecca Sänger, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Geschlechtersensible Medizin bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, beklagt ein weiteres Defizit: "Viele Trainingspläne orientieren sich an männlichen Normwerten. Um Verletzungen zu vermeiden, sollten bereits junge Athletinnen frühzeitig geschlechterspezifisch trainieren."

Es besteht international dringender Handlungsbedarf, die UEFA und die FIFA haben weitere Forschung eingeleitet. "Es trifft nicht nur uns, die Französinnen und andere Nationen haben die gleichen Probleme", sagte Bundestrainer Christian Wück vor dem Nations-League-Halbfinale gegen Frankreich am Freitag (17.45 Uhr/ARD) und vier Tage später in Caen.

Zum Match-Center: Deutschland vs. Frankreich

Beim Wiedersehen nach dem dramatischen EM-Viertelfinale im Sommer in Basel (6:5 i.E.) muss Wück durch den Oberdorf-Ausfall also weiter auf andere Kräfte im Mittelfeld setzen - etwa Sjoeke Nüsken und Elisa Senß. "Wir merken jetzt", betonte die Frankfurterin Senß, "dass wir noch enger zusammenstehen müssen, dass wir das auch als Team auffangen müssen." Wie schon bei Olympia-Bronze 2024 und der diesjährigen EURO, als die Titelträume im Halbfinale gegen Spanien (0:1 n.V.) platzten.