Der BVB und die ewige Schiedsrichterdebatte: Wo bleibt die Selbstkritik?

BVB-Trainer Nuri Sahin (r.) steht nach der Niederlage in Frankfurt massiv unter Druck.
BVB-Trainer Nuri Sahin (r.) steht nach der Niederlage in Frankfurt massiv unter Druck.Harry Langer/DeFodi Images/Shutterstock Editorial / Profimedia
Es ist ein gewohntes Bild: Borussia Dortmund verliert ein Spiel, und die Verantwortlichen treten nach Abpfiff vor die Kameras, um energisch mit dem Finger auf Schiedsrichterentscheidungen zu zeigen. Jüngstes Beispiel: die 0:2-Niederlage in Frankfurt. Diesmal ging es um zwei vermeintlich nicht gegebene Elfmeter. BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl kommentierte süffisant, er wisse nicht, „was der Video-Assistant-Referee heute wieder gemacht hat“. Was bleibt, ist nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Eindruck, dass Borussia Dortmund in Sachen Selbstkritik ein besonderes Talent entwickelt hat – nämlich sie zu vermeiden.

Das Muster ist nicht neu. Vielmehr scheint es eine Art Ritual zu sein: Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, müssen die Schiedsrichterentscheidungen herhalten. Blicken wir zurück: 

März 2021: Mit 2:4 unterlag Borussia Dortmund gegen den FC Bayern und vor allem der damalige Kapitän Marco Reus ließ eine wahre Tirade gegen Schiedsrichter Marco Fritz los. Entscheidungen seien stets „für Rot“ ausgefallen, der Schiri habe „keine Eier“, etwas für den BVB zu pfeifen. Dass das vermeintliche Foul im Vorfeld des 2:3 rund 30 Sekunden vor dem eigentlichen Treffer passierte und der „Gefoulte“ Emre Can im Anschluss wieder normal mitverteidigte – geschenkt.

Dezember 2021: Nach einer 2:3-Niederlage im Top-Spiel gegen den FC Bayern kritisierten die Schwarz-Gelben massiv die Leistung von Schiedsrichter Felix Zwayer. Dieser hatte einige umstrittene Entscheidungen getroffen, was den damaligen BVB-Youngster Jude Bellingham dazu veranlasste, tief ins Archiv zu schauen und an die vermeintlichen Verstrickungen von Zwayer im Wettskandal um Robert Hoyzer zu erinnern. Der Unparteiische aus Berlin sprach von „sehr belastenden Geschehnissen und Momenten“ für seine Familie.

April 2023: Schiedsrichter Sascha Stegemann übersah bei der Partie in Bochum ein Foul von Danilo Soares an Karim Adeyemi, Dortmund spielt nur 1:1. Durch das Remis büßte der BVB zwei Punkte im Fernduell mit dem FC Bayern ein und wurde später nicht Meister. Die Dortmunder Verantwortlichen echauffierten sich massiv, einige Anhänger verstiegen sich online sogar zu Morddrohungen gegen Referee Stegemann, dieser wurde erst mehr als eineinhalb Jahre später wieder bei einem Spiel der Dortmunder angesetzt.

Und jetzt also Frankfurt 2025. Zwei nicht gegebene Elfmeter – sicher diskutable Szenen. Aber wie so oft bleibt die eigentliche Frage ungestellt: Warum gelingt es einer Mannschaft mit Top-Spielern wie Nico Schlotterbeck, Julian Brandt und Serhou Guirassy nicht, Spiele aus eigener Kraft zu entscheiden? Warum wird nicht darüber gesprochen, dass der BVB in der ersten Halbzeit keinerlei Kontrolle über das Mittelfeld hatte?

Zum Match-Center: Eintracht Frankfurt vs. Borussia Dortmund

Ein Blick in den Spiegel würde helfen

Es scheint fast so, als habe sich bei Borussia Dortmund ein Mechanismus etabliert, der die Schuld für Niederlagen konsequent nach außen verlagert. Sicherlich sind Schiedsrichterentscheidungen oft diskussionswürdig und Emotionen gehören zum Fußball. Doch ein Team, das den Anspruch hat, dauerhaft um Titel mitzuspielen, sollte die Fähigkeit besitzen, sich selbstkritisch zu hinterfragen.

Andere Spitzenvereine in Schieflage zeigen, dass es anders geht. Ein Pep Guardiola etwa spart auch nicht mit Kritik an den Schiedsrichterleistungen, doch weist stets auf die Schwächen und Versäumnisse seines Teams hin. In aller Öffentlichkeit analysiert er, welche taktischen Fehler gemacht wurden. Solche Offenheit sucht man bei Dortmund weitesgehend vergebens.

Die Statistiken zur Dortmunder Niederlage in Frankfurt.
Die Statistiken zur Dortmunder Niederlage in Frankfurt.PressBox by StatsPerform

Der Umgang mit Niederlagen ist auch eine Frage der Mentalität – ein Stichwort, das beim BVB nicht zum ersten Mal diskutiert wird. Statt sich immer wieder in die Opferrolle zu begeben, wäre es an der Zeit, den Blick nach innen zu richten. Denn eines ist sicher: Nicht Schiedsrichter Daniel Schlager und sein Team haben den BVB in Frankfurt geschlagen.

Vielmehr war es eine Mischung aus taktischen Schwächen, einer verschlafenen ersten Halbzeit und einer defensiven Anfälligkeit, die sich durch die letzten Monate zieht.

Vielleicht sollten sich die Borussen weniger mit den Unparteiischen und mehr mit sich selbst beschäftigen. Denn wahre Spitzenmannschaften überzeugen nicht durch Ausreden – sondern durch Taten auf dem Platz.

Anton Latuska
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