Weniger als zwei Tage vor dem Bundesliga-Auftakt gegen RB Leipzig ist die Diskussion über den Umgang des FC Bayern mit seinen Akademiespielern so präsent wie selten. Auslöser ist der am Freitag bekanntgegebene Abgang von Paul Wanner, der für mindestens 15 Millionen Euro zum niederländischen Meister PSV Eindhoven wechseln soll.
Der 19-jährige offensive Mittelfeldspieler gilt als eines der größten Talente der Bayern-Schule – und doch bleibt ihm der direkte Weg in die erste Mannschaft versperrt.
Fehlt es den Bayern an Vertrauen?
Der Verkauf Wanners reiht sich ein in eine Serie von Transfers, die Zweifel an der Strategie des Rekordmeisters wecken. Schon zuvor war der Abschied von Adam Aznou nach Everton von Raunen begleitet worden.
Sportdirektor Max Eberl rechtfertigte die Entscheidung mit der fehlenden Geduld des Spielers, doch Kritiker werfen dem Klub vor, potenzielle Leistungsträger zu früh aufzugeben. So wird Bayern eher als Durchgangsstation wahrgenommen, anstatt seinen Talenten eine echte Chance im Profibereich zu geben.
Besonders brisant ist die Kritik an Trainer Vincent Kompany. Ex-Nationalspieler Markus Babbel monierte bereits während der Klub-WM, dass Nachwuchskräfte wie Lennart Karl kaum Spielzeit erhielten – selbst gegen schwächere Gegner wie Auckland City, wo sich Einsätze nahezu aufgedrängt hätten. Stattdessen vertraute Kompany auf Routiniers wie Serge Gnabry, während die Akademiespieler auf der Bank blieben.
Die Zahlen unterstreichen das Problem: In der vergangenen Saison brachten es die Bayern-U19-Spieler insgesamt auf nur 110 Einsatzminuten in der Bundesliga. Ein deutlicher Kontrast zu internationalen Topklubs wie Liverpool (975 Minuten), Paris Saint-Germain (966) oder Real Madrid (570). Gerade im Vergleich wirkt die Münchner Bilanz ernüchternd – insbesondere für einen Klub, der sich gerne als globaler Maßstab sieht.
Dennoch ist die Lage nicht schwarz-weiß. Beobachter wie Mario Krischel vom Kicker weisen darauf hin, dass es bei Bayerns hoher Kaderqualität schlicht schwierig sei, Nachwuchsspielern einen Platz zu sichern. „Die Startelf hat das Potenzial, die Champions League zu gewinnen“, sagt Krischel zu Flashscore.
Kleiner Kader als Chance für den Campus?
Nur absolute Ausnahmetalente wie Barcelonas Lamine Yamal oder Pedri könnten sich in einem solchen Umfeld sofort behaupten. Beispiele wie Joshua Zirkzee, der nach Stationen in Bologna und Manchester nun etabliert ist, zeigen zudem, dass ein früher Abgang nicht zwingend ein Fehler sein muss.
Doch die aktuelle Personalsituation könnte die Karten neu mischen. Mit einem der kleinsten Bayern-Kader der vergangenen Jahrzehnte – verstärkt zwar durch Jonathan Tah und Luis Diaz, aber ohne verpasste Wunschspieler wie Florian Wirtz – bleibt Kompany kaum Spielraum.

Stürmer Harry Kane sprach bereits von einem „dünn besetzten Kader“. Gerade in der Offensive sind die Münchner auf Eigengewächse angewiesen, da lediglich vier erfahrene Angreifer für vier Positionen zur Verfügung stehen.
In dieser Lage könnte ausgerechnet die Not zur Tugend werden. Nachwuchsmann Lennart Karl gilt intern als Kandidat für mehr Einsatzzeit zu Saisonbeginn. Auch weitere Akademiespieler wie Jonah Jusi-Asare könnten profitieren, wenn Kompany seine bisherige Zurückhaltung überdenkt.
Für den Belgier bietet sich die Chance, die Kritik zu entkräften – und gleichzeitig zu beweisen, dass der Bayern-Nachwuchs mehr ist als eine Quelle für lukrative Transfererlöse.
