"Flieg, Albatros!" Schwimmstar Groß wird für sein Lebenswerk ausgezeichnet

Michael Groß bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles
Michael Groß bei den Olympischen Spielen 1984 in Los AngelesČTK / AP / Anonymous
Michael Groß wird von der Sporthilfe für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Der ehemalige Schwimmstar ist noch immer populärer als aktuelle Olympiasieger.

Los Angeles 1984, Doppelgold mit Weltrekorden, das legendäre "Flieg, Albatros, flieg!" – das war der Höhepunkt im Sportlerleben des Michael Groß. Oder doch nicht? Nein, sagt der dreimalige Olympiasieger, "Remscheid." Er denke zuerst an die deutschen Meisterschaften ein Jahr später im Gartenhallenbad Lennep, "damals habe ich die Weltrekorde über 200 m Schmetterling und 400 m Freistil erschwommen", erzählt der 60-Jährige im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Damit war Groß ein Jahr lang in vier von damals zwölf olympischen Disziplinen der schnellste Schwimmer der Welt. "Es war das erste Mal seit Mark Spitz, und danach hat es erst Michael Phelps wieder geschafft." Der ehemalige Schwimmstar erinnert sich an "abenteuerliche Bedingungen - total eng, drückendste Luft, wir wurden am Beckenrand massiert".

40 Jahre später betritt Groß eine ganz andere Bühne: In der Festhalle Frankfurt wird er, inzwischen erfolgreicher Unternehmensberater und Honorarprofessor, am Samstag beim Ball des Sports mit der Goldenen Sportpyramide der Sporthilfe für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

"Jede Beauty-Influencerin" populärer als Olympiasieger

Dass damit "nicht nur die sportliche Leistung gewürdigt wird", freut Groß besonders. Denn er ist stolz, "parallel zu meiner Schwimmerei das Abitur gemacht, kein Semester im Studium versäumt, mein Unternehmen gegründet" zu haben. Der Sport ist aber noch immer Teil seines Lebens.

"Ich nenne jetzt keine Namen, aber ich war im Herbst mit einem aktuellen Olympiasieger unterwegs, und wer wird angesprochen? Ich", erzählt Groß: "Bis zu meinem Lebensende wird es so bleiben, dass mich viele als 'Albatros' ansprechen." Obwohl er das eigentlich gar nicht mag, "sie sollen mich mit meinem normalen Namen anreden."

Dass heutige Olympiasieger nicht mehr seine Popularität erreichen, gibt Groß zu denken. Es sei in Zeiten der Sozialen Medien extrem schwer, "medial durchzudringen", sagt er. "Wie viele Follower hat ein Lukas Märtens auf Instagram? Jede Beauty-Influencerin hat vermutlich mehr als die Sportlerin des Jahres."

Und: "Auch ein Oliver Zeidler, Sportler des Jahres, ist letztlich 'hero for one day'." Immer wieder höre er, "dass sich durch den Olympiasieg letztlich nichts geändert" habe, und wundert sich: "Das ist das Höchste im Sport, das wird man nicht durch Murmeln, sondern durch jahrzehntelanges Training."

Infrastruktur im Schwimmen "ein Desaster"

Dass das öffentliche Interesse nachgelassen hat, liege aber auch an den Sportarten selbst. Zu seiner Zeit seien die deutschen Meisterschaften deutlich wichtiger gewesen als heute, weil es auch für die Stars um die Qualifikation für WM oder Olympia ging. Heute verstecke man sich.

"Irgendwo wird mal eine Qualifikationszeit geschwommen, nach der Meldung muss man aber schon suchen. So funktioniert das nicht", sagt Groß. "Wenn bei deutschen Meisterschaften Weltrekorde geschwommen werden, kommen auch die Medien. Es ist ein absolutes Manko im deutschen Schwimmsport, dass der nationale Wettbewerb keinen Wert hat."

Mit Sorge betrachtet er auch die Entwicklung im Breitensport. "Das analoge Erlebnis, das Authentische, Unmittelbare des Sports, ist im digitalen Zeitalter besonders wichtig geworden", aber bei der Umsetzung gebe es massive Probleme.

"Die Möglichkeiten in der Infrastruktur, speziell im Schwimmen, sind ein Desaster." Von Olympischen Spielen in Deutschland, die der DOSB für 2036, 2040 oder 2044 ins Auge gefasst hat, erwartet er "nur bedingt" Hilfe. Sie seien "keine eierlegende Wollmilchsau". Es mache nur Sinn, "wenn man parallel für die Sportstätten einen Goldenen Plan wie in den Sechzigern auflegt, damit es wirklich eine nachhaltige Aktivierung ergibt."