"Der geilste Job in der Stadt": Marco Sturm schreibt NHL-Geschichte

Bruins-Headcoach Sturm
Bruins-Headcoach SturmČTK / AP / Mary Schwalm

Marco Sturm ist der erste in Deutschland geborene Cheftrainer in der NHL – ausgerechnet bei den Boston Bruins, wo er als Spieler seine erfolgreichste Zeit erlebte.

Eine Silbermedaille und viel Geduld: Marco Sturm hat nach einem sensationellen Erfolg und langer Wartezeit auf Umwegen seinen Traumjob gefunden – obwohl er früher gar nicht davon geträumt hat.

"Ich wollte eigentlich nie Trainer werden", sagt der 47-Jährige im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID). In der neuen Saison, die in der Nacht zu Mittwoch beginnt, ist der ehemalige Stürmer der erste in Deutschland geborene Headcoach in der NHL.

Sturm hat, als erst vierter europäischer Cheftrainer in der 108-jährigen Geschichte der besten Eishockeyliga der Welt, einen anspruchsvollen Job übernommen.

"Wenn es gut läuft, bist du der King"

Bei den Boston Bruins – Traditionsklub aus der Ära der "Original Six" – der 2011 zum sechsten und bislang letzten Mal den Stanley Cup gewann und vor zwei Jahren noch das punktbeste Team der Hauptrunde stellte, muss er den Umbruch einleiten und moderieren, ein Play-off-Platz ist eher unrealistisch.

Dennoch sagt der ehemalige Bundestrainer: "Es ist für mich der geilste Job in der Stadt." Denn Sturm kennt Boston, und Boston kennt Sturm. Als Spieler erlebte der Niederbayer zwischen 2005 und 2010 seine erfolgreichste Zeit bei den Bruins, war sogar in zwei Spielzeiten der beste Torjäger des Klubs. Deshalb weiß er, wie wichtig Eishockey für die Stadt ist: "Wenn es gut läuft, bist du der King."

Sturm war schon vor einem Jahr bei den San Jose Sharks aussichtsreicher Kandidat, zuletzt in Vancouver und Seattle in der engeren Auswahl. Dass es dann Boston wurde, ist für ihn auch vier Monate nach der Unterschrift noch immer "ein absoluter Wahnsinn".

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Erinnerungen an Olympia 2018

Genauso unglaublich, wie die zweite Karriere des Ex-Nationalspielers überhaupt begann. 2015, als die Nationalmannschaft sportlich am Boden lag, rief ihn der damalige DEB-Präsident Franz Reindl in Sturms Wahlheimat Florida an und lud ihn nach München ein: "Aus dem Nichts kam das Angebot als Bundestrainer, ab da hat sich alles verändert."

Der Trainerneuling Sturm lüftete kräftig durch, brach verkrustete Strukturen auf und führte die DEB-Auswahl wieder ins WM-Viertelfinale – und 2018 sensationell zu Olympiasilber. Als er aus Südkorea heimkehrte, "klingelte schon öfter das Telefon". Auch die NHL zeigte Interesse. "Jeder hat mitbekommen, was ich geleistet habe."

Mittlerweile "mehr" US-Amerikaner

Sturm wechselte Ende des Jahres zu den Los Angeles Kings, arbeitete dort fast sieben Jahre lang als Co-Trainer und Chefcoach des Farmteams in der unterklassigen AHL. Trotz der langen Wartezeit verlor er nie den Glauben an seine Chance: "Das Timing ist heutzutage alles."

Als Spieler war Sturm bereits Vorreiter: Er wurde als erster gebürtiger Deutscher in der ersten Runde gedraftet, ist mit 1.006 NHL-Partien noch immer deutscher Rekordspieler. Bis Leon Draisaitl kam, führte er auch die deutsche Torschützen- und Scorerliste an. In Kürze erhält er das Bundesverdienstkreuz.

Als Trainer sieht er sich aber nicht als Wegbereiter für seine Landsleute. Denn er sei ausgewählt worden, weil er inzwischen mehr als Amerikaner denn als Europäer gesehen werde. "Ich war die letzten 25 Jahre fast täglich in Amerika und habe mir ein Netzwerk aufgebaut."