Für Bach, der Coventry herzlich gratulierte, ist eines aber gewiss noch wichtiger: Das Votum der Mitglieder gleich im ersten Wahlgang für die zweimalige Schwimm-Olympiasiegerin unterstreicht, wie groß der Einfluss des 71-Jährigen im elitären Zirkel des IOC ist. Denn Coventry - Mutter und Mitglied in Bachs Exekutive - war die Favoritin des Deutschen bei der Präsidentschaftswahl.
"Das ist ein außergewöhnlicher Moment. Als neun Jahre altes Mädchen hätte ich nie gedacht, hier zu stehen", sagte Coventry, die zunächst bis 2033 gewählt ist: "Ich hoffe, ich kann Ihnen Zuversicht geben mit dieser Wahl. Danke vom Grund meines Herzens. Vielen Dank für diesen Moment, vielen Dank für diese Ehre."
Mit dem als Mitfavorit gehandelten Briten Sebastian Coe hatte sich Bach im Lauf der Jahrzehnte entzweit, auch Vizepräsident Juan Antonio Samaranch hatte Pläne mit dem IOC, die von Bachs Kurs deutlich abweichen. Um Coventry und diese beiden ging es im kaum vorhersehbaren Dreikampf - der letztlich eine klare Sache war: Coventry holte sich im ersten Wahlgang 49 der 97 Stimmen und damit hauchdünn die absolute Mehrheit, Samaranch folgte mit 28, Coe erhielt nur acht.
Was heißt der Wahlsieg?
"Für Coe war es ein niederschmetternder Tag", schrieb der Guardian. The Telegraph wertete das Votum als "sicheres Zeichen dafür, dass das gemütliche IOC-Klientel wenig Appetit auf echte Veränderungen hat". Die anderen Bewerber David Lappartient (Frankreich), Prinz Feisal al-Hussein (Jordanien), Johan Eliasch (Großbritannien) und Morinari Watanabe (Japan) waren nie über die Außenseiterrolle hinausgekommen. Keiner von ihnen holte mehr als vier Stimmen.
Für Bach ist Coventrys "klarer Sieg" ein "starkes Mandat", das die "Einheit der olympischen Bewegung" beweise. Er selbst führt die Geschäfte offiziell noch gut drei Monate weiter, Entscheidungen von Tragweite werden aber an seinem Schreibtisch kaum mehr getroffen. Am 23. Juni scheidet er nach knapp zwölf Jahren aus dem höchsten Amt im Weltsport aus, er legt auch seine IOC-Mitgliedschaft nieder - Bach ist dann Ehrenpräsident auf Lebenszeit.
Der Fecht-Olympiasieger von 1976, der die Organisation zu einer One-Man-Show machte, hinterlässt auf den ersten Blick ein bestelltes Feld. Die Spiele sind bis einschließlich 2034 vergeben, der wichtigste, weil milliardenschwere TV-Vertrag mit dem US-Sender NBA Universal wurde gar erst in der Vorwoche bis 2036 verlängert - doch die Baustellen sind zahlreich.
Viele Fragen für die neue Präsidentin
Welchen Kurs schlägt das IOC mit der Vergabe weiterer Spiele ein? Wie geht Coventry mit dem kaum berechenbaren US-Präsidenten Donald Trump um, der mit Los Angeles Gastgeber der Sommerspiele 2028 ist? Wann und unter welchen Umständen kann Russland nach dem Staatsdopingskandal und angesichts des Angriffskriegs gegen die Ukraine in den Weltsport zurückkehren? Wie ist Coventrys Zugang zu den drängenden Themen Transgender und Klimawandel? Last but not least: Wie kann die Finanzierung sichergestellt werden, nachdem sich zuletzt mehr IOC-Großsponsoren zurückzogen als hinzukamen?
Coventry kann gewiss auf Bachs Rat zurückgreifen, dem von IOC-Vizepräsidentin Nicole Hoevertsz am Mittwoch eine "visionäre Führung" in Zeiten von Krisen und Pandemie attestiert wurde. Immerhin hatte der gebürtige Würzburger Coventry seit ihrer Aufnahme ins IOC 2013 gefördert und 2021 mit einer individuellen Mitgliedschaft belohnt, die ihr weit über ihre Präsidentschaft hinaus (gemäß IOC-Charta maximal bis 2037) einen Platz im erlesenen Kreis der Mitglieder sichert.
Bach habe auch hinter den Kulissen für Coventry geworben, das erklärten mehrere Mitglieder – natürlich, ohne zitiert werden zu wollen. Coventry dürfte Bachs pragmatischen Kurs fortsetzen, sie muss sich den Herausforderungen des digitalen Zeitalters stellen, denen sich Bach am Ende nicht mehr gewachsen fühlte.